Altkanzler zur Bundestagswahl:Schmidt versteht, Kohl gesteht

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Elder Statesman vs. Wahlkämpfer: Drei Tage vor der Bundestagswahl melden sich die Altkanzler Schmidt und Kohl zu Wort - auf äußerst unterschiedliche Art und Weise.

Wenn verdiente Politiker sich aus dem Ruhestand melden, um sich ins aktuelle Politikgeschäft oder gar den Wahlkampf einzumischen, geht der Schuss oft nach hinten los. Jimmy Carter, demokratischer US-Präsident vor Ronald Reagan, tat seinem Parteifreund Obama unlängst keinen Gefallen, als er den Gegnern der Gesundheitsreform Rassismus unterstellte.

Deutschlands wohl beliebtester Politiker, Helmut Schmidt, analysiert scharfsinnig die deutsche Politik. (Foto: Foto: AP)

In Deutschland sind sich die Altkanzler meist der Gefahren bewusst, die in den Untiefen der Tagespolitik lauern - und halten sich entsprechend zurück. Außer einem: Helmut Schmidt.

Der SPD-Altkanzler und Zeit-Herausgeber mischt sich immer wieder in aktuelle Debatten ein, ohne dabei peinlich zu wirken oder sich bei seinen Parteifreunden oder Bürgern ins Abseits zu reden.

Im Gegenteil. In Umfragen wird Helmut Schmidt regelmäßig zum kompetentesten, klügsten oder beliebtesten Politiker gewählt. Eine Mehrheit der Deutschen würde ihn angeblich sogar direkt zum Bundeskanzler wählen, hätte sie nur die Möglichkeit.

Jetzt, vier Tage vor der Bundestagswahl, meldet sich Schmidt wieder in einem Interview zu Wort. "Verstehen Sie das, Herr Schmidt", fragt Giovanni di Lorenzo im aktuellen Zeit-Magazin. Die Antwort: Schmidt versteht nicht alles - und sieht doch klarer als die meisten aktiven Politiker.

Am deutlichsten wird Schmidt beim Thema Afghanistan. Der Regierung empfiehlt er, sich "darüber klarzuwerden, was der Westen kann und was er will - und darüber, ob beides zur Deckung gebracht werden kann".

"Herr Schröder geht jetzt nur noch wählen"

Schon vor dem Krieg hätten die Bündnispartner wissen können, dass das Ziel, al-Qaida die Grundlage zu entziehen, mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht zu erreichen gewesen ist. Der Regierung wirft er vor, den Einsatz am Hindukusch im Parlament nicht richtig diskutiert zu haben.

Doch Schmidt findet auch lobende Worte für die Arbeit der Bundesregierung. Vor allem für die Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Team Merkel/Steinbrück habe mit der Rettungsaktion "hervorragend" auf die Herausforderung reagiert. "Diese beiden Personen haben ihre Sache so erstklassig und glaubwürdig gemacht, dass die Deutschen erstmals nicht mit ansteckender Angst reagiert haben."

Merkels Pläne, in der kommenden Legislaturperiode die Steuern zu senken, nannte Schmidt hingegen "Unfug". Außerdem verteidigte Schmidt die Pläne der SPD, die Reichen stärker zu besteuern. "Unter Adenauer, Erhard, Kiesinger, Brandt und Schmidt wurden die Reichen stärker besteuert als heute. Und damit sind wir gut gefahren", so Schmidt.

Zeitgleich mit Schmidt äußerte sich auch Schmidts Nachfolger Helmut Kohl in der Bild-Zeitung. Anders als Schmidt gibt sich Kohl aber keine Mühe, überparteilich zu wirken. Er habe sich nur deshalb zum Interview überreden lassen, weil er möchte, "dass Schwarz-Gelb gewinnt". Viel mehr hatte Kohl dann aber auch nicht zu berichten.

Gerhard Schröder, der dritte noch lebende Altkanzler verzichtet hingegen nach seinen Wahlkampfauftritten auf weitere Einmischung. "Herr Schröder geht jetzt nur noch wählen", ließ sein Büro auf Anfrage von sueddeutsche.de wissen.

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