Für einen Sonntag war das Gedränge an der Moskauer Metrostation "Puschkinskaja" am Nachmittag überdurchschnittlich groß. Auch die Polizeipräsenz war deutlich ausgesprägter als es üblich. Der Grund dafür erschloss sich oben auf dem Puschkinplatz sofort: Hunderte Anhänger des russischen Oppositionspolitikers und Kremlkritikers Alexej Nawalny hatten sich vor dem Denkmal des russischen Nationaldichters Alexander Puschkin versammelt, um für einen Boykott der Präsidentschaftswahlen im März zu demonstrieren.
Während die Polizei die Passanten durch Megafone zum Weitergehen aufforderte, standen die Demonstanten, eingekesselt von den Beamten und Metallbarrikaden auf dem Platz, und skandierten Sprüche wie "Russland ohne Putin". Auf ihren Schildern prangten Slogans wie "Streik!" oder "Das Wort Wahlen leitet sich aus dem Wort Auswählen ab".
Nawalny selbst war auf dem Weg zur Demonstration festgenommen worden. Sicherheitskräfte hätten ihn auf der Twerskaja-Straße abgefangen, kurz bevor er zu dem Aufmarsch hätte stoßen können, teilte Nawalnys Team am Sonntag mit. Der 41-Jährige bestätigte dies bei Twitter. Er schrieb: "Die Festnahme einer Person ergibt keinen Sinn, wenn es viele von uns gibt. Kommt und ersetzt mich!" Ein Video zeigt zudem, wie die Sicherheitskräfte ihn abführen.
Nawalny hatte für Sonntag zu landesweiten Protesten gegen die Präsidentschaftswahlen aufgerufen, die am 18. März anstehen. Er will seine Anhänger dazu mobilisieren, die Wahl zu boykottieren. In mehr als hundert Städten im ganzen Land fanden Proteste statt. Die Demonstration in Moskau, bei der Nawalny festgenommen wurde, war von den Behörden nicht genehmigt worden, ebenso wie die parallel veranstaltete Aktion in St.Petersburg. In anderen Städten waren allerdings teilweise Genehmigungen für die Veranstaltungen erteilt worden.
Bereits am Morgen war die russische Polizei in Nawalnys Moskauer Büro eingedrungen und hatte mehrere seiner Mitarbeiter festgenommen. Die Sicherheitskräfte sollen sich mit einer Säge Zugang zu den Räumen verschafft haben. Wie Nawalnys Team über die sozialen Medien erklärte, wurden auch mehrere Mitarbeiter seiner Anti-Korruptions-Stiftung sowie weitere Anhänger inhaftiert.
Die Zahl der landesweit Festgenommenen bezifferte Nawalnys Team auf insgesamt mindestens 180. Die russische Nachrichtenagentur Interfax schätzte die Zahl der Demonstranten in Moskau auf 1000. Augenzeugen gaben an, die Zahl sei noch höher. Im März 2017 hatte Nawalny mehr als 60 000 Menschen im ganzen Land mobilisieren können, um gegen die grassierende Korruption auf die Straße zu gehen.
Der 41-Jährige Nawalny ist ein scharfer Kritiker von Wladimir Putin und wäre bei der Wahl auch gern gegen ihn angetreten; seine Kandidatur wurde jedoch nicht zugelassen. Die russische Wahlkommission begründete Nawalnys Ausschluss damit, dass der Politiker zu einer fünfjährigen Bewährungsstrafe wegen Unterschlagung verurteilt wurde. Nawalny bestreitet die ins Jahr 2009 zurückreichenden Vorwürfe und spricht von einem politisch motivierten Urteil.
Mit Material der Agenturen