Afrika:Somaliland ist eine gefährdete Erfolgsgeschichte

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Die Dürre macht den Menschen in Somaliland aktuell das Leben schwer. (Foto: Isabel Pfaff)
  • Trotz der Dürre kommt in Somaliland kaum Hilfe an - weil das Land nicht international als Staat anerkannt ist.
  • Somit kann sich das kleine Land kein Geld leihen und ist auf Zuwendungen aus der Diaspora angewiesen.
  • Ein Hafenprojekt von Investoren aus Dubai macht den Somaliländern im Angesicht der Dürrekrise Mut.

Von Isabel Pfaff, Hargeisa

Keine Sicherheitschecks, keine Taschenkontrolle. Will man zur Ministerin, muss man nur ein paar Stufen überwinden, schon befindet man sich im Innern des Regierungsgebäudes. Die Ministerin verzichtet noch auf ein paar andere Machtsymbole, die oft in Afrika üblich sind - stundenlanges Warten trotz eines Termins zum Beispiel. Mit lediglich zehn Minuten Verspätung eilt Shukri Bandare, eine kleine Frau um die 50, durch das Tor ihres Ministeriums, entschuldigt sich und nimmt auf einer Bank im grünen Innenhof Platz. Sie trägt ein eng ums Gesicht gebundenes Kopftuch, ihr Englisch ist fließend, der Somali-Akzent darin stark und stolz.

Shukri Bandare ist Umweltministerin von Somaliland. Einem Staat, den es offiziell gar nicht gibt und dem es deshalb an internationaler Unterstützung fehlt. Dennoch kam Somaliland in den vergangenen Jahren verglichen mit seinen Nachbarstaaten ganz gut zurecht - die aktuelle Dürrekrise könnte die kleine Erfolgsgeschichte am Horn von Afrika jedoch gefährden.

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Im ostafrikanischen Somaliland droht ein Massensterben: Millionen Menschen fehlen Nahrung und Wasser, viele flüchten vor der Dürre. Weil die Welt auf andere Krisen blickt, kommt kaum Hilfe von außen.

Von Isabel Pfaff

Diese Geschichte begann vor 26 Jahren, im Mai 1991, als sich die Somaliländer für unabhängig erklärten. Für den Rest der Welt bleibt ihr Land jedoch weiter ein Teil Somalias. Der kleine Staat und seine Regierung können jede Form von Publicity gebrauchen - wohl auch deshalb ist es relativ unkompliziert, ein Visum oder einen Termin mit der Ministerin zu bekommen. "Es ist unfair!", sagt Bandare. "Wir haben dieses Land wirklich aus dem Nichts aufgebaut. Und trotzdem werden wir weiter nur durch die Augen des Südens gesehen."

Der Süden, das ist der Rest Somalias mit der Hauptstadt Mogadischu. Die beiden Landesteile haben nicht immer zueinandergehört: Somalia war bis in die Sechzigerjahre italienische Kolonie, Somaliland britisches Protektorat. Nach der Unabhängigkeit taten sich die beiden Gebiete zusammen - eine Entscheidung, die viele Somaliländer bereuen. Denn es ist der Süden, der das Bild Somalias seither prägt: ein gescheiterter Staat, in dem ganze Generationen nur Krieg und Gewalt kennen. Dass im Norden viele Dinge völlig anders laufen, geht meist unter. Dabei beweisen die knapp vier Millionen Somaliländer schon seit Jahren: Ihr Land, obwohl von keinem anderen Staat der Welt anerkannt, funktioniert im Vergleich zu den vielen Problemfällen am Horn von Afrika mit am besten.

Somaliland ist eine Demokratie, schon mehrmals fanden Wahlen statt, 2010 gab es einen friedlichen Machtwechsel. Die staatliche Verwaltung funktioniert vergleichsweise gut, Polizei und Armee halten im Großteil des Landes das Gewaltmonopol. Das ist nicht wenig für ein Gebiet, das an eines der schlimmsten Krisengebiete der Welt grenzt.

"Wenigstens fühlen wir in unseren Herzen, dass wir frei sind", sagt die Ministerin. Es klingt wie ein angestrengtes Mantra. Denn im Augenblick spüren die Somaliländer deutlich, dass die fehlende Anerkennung lebensbedrohlich sein kann: Das Land leidet unter einer schlimmen Dürre. Drei Viertel der Einwohner leben von der Viehzucht, wenn wie jetzt der Regen ausbleibt und ihr Vieh verdurstet, haben sie nichts mehr. Doch die Regierung wird von anderen Staaten und Hilfsorganisationen nicht unterstützt - weil sie in deren Augen eben keine Regierung ist. Hilfe kommt nur indirekt, etwa wenn lokale NGOs Geld aus dem Ausland bekommen. Doch auch das laufe schleppend, so Bandare.

Und so tun die Somaliländer das, was sie seit mehr als zwei Jahrzehnten tun: Sie helfen sich selbst. Wohlhabende Geschäftsleute etwa aus der Hauptstadt Hargeisa schicken Wasser und Nahrungsmittel in die Provinz, auch die große Diaspora sendet Geld in die Heimat, um die Not zu lindern.

So in etwa ist aus Somaliland das geworden, was es heute ist. Als sich die Menschen während Somalias Bürgerkrieg lossagten vom Süden, war ihr Land ein Trümmerfeld. Heute ist nicht mehr viel vom Krieg zu sehen. Das Land ist immer noch arm, aber die Somaliländer haben ihre Städte wieder aufgebaut. Es herrscht eine friedliche Geschäftigkeit, die Zahl der Hotels, Restaurants und Firmengebäude nimmt zu. Es ist vor allem die Diaspora, die in Somaliland investiert und Unternehmen gründet, sie ist bis heute der wirtschaftliche Motor des Landes. An zweiter Stelle steht die Viehwirtschaft. Somaliland exportiert in guten Jahren mehr als drei Millionen Schafe, Ziegen, Rinder und Kamele, vor allem in Staaten der arabischen Halbinsel.

Somaliland hat ein effektives Steuersystem - im Gegenzug zu seinen Nachbarn

Dieser Handel ist auch für die Regierung wichtig, ihr Budget speist sich zu fast drei Vierteln aus Steuern auf Viehexport. Im Gegensatz zu anerkannten Staaten kann sich Somaliland kein Geld leihen bei internationalen Institutionen oder anderen Ländern, muss also diszipliniert haushalten. Und so verfügt Somaliland, anders als viele Entwicklungsländer, über ein effektives Steuersystem. Im Grunde erfüllt es so mehr Kriterien für Staatlichkeit als die übrigen Länder der Region. Warum also bleibt die Anerkennung trotzdem aus?

Da ist zum einen die Regel, die sich die afrikanischen Regierungen einst selbst gaben: Die unabhängig gewordenen Staaten des Kontinents sollten ihre kolonialen Grenzen möglichst behalten, man glaubte, Abspaltungen würden sonst kein Ende nehmen. Die Afrikanische Union ist auch im Fall Somalilands bei der Haltung geblieben, obwohl Gesamt-Somalia in seinen heutigen Grenzen erst nach der Unabhängigkeit entstand.

Der zweite, wohl bedeutendere Grund hat mit der fragilen Lage der Region zu tun. Neben Somaliland regen sich noch in anderen Teilen Somalias Autonomiebestrebungen: in Puntland etwa, das an Somaliland grenzt, oder in Jubaland im Süden. Die internationale Gemeinschaft fürchtet, dass eine Anerkennung Somalilands diese Abspaltungstendenzen verstärken könnte. Hinzu kommt, dass auch in den Nachbarstaaten Äthiopien und Kenia Somali-Minderheiten leben. Eine Aufspaltung Somalias, so die Angst, würde Sezessionskämpfe in der gesamten Region befeuern.

Die Aussichten der Somaliländer auf Anerkennung bleiben also düster. Das Tragische daran: Die Bewohner verlieren langsam die Geduld. Trotz ihrer Disziplin, trotz ihres Aufbauwillens müssen sie weiter auf Unterstützung und Investitionen verzichten. Inzwischen zeigt das demokratische System erste Risse. Regierung und Parlament haben die Wahlen zuletzt mehrmals verschoben, jetzt sollen sie Ende 2017 stattfinden. Doch die Menschen verlieren das Interesse: Deutlich weniger Wähler als früher registrierten sich für den ursprünglich für März geplanten Wahltermin.

Das Land setzt nun alle Hoffnung auf einen Deal vom vergangenen September: Das Dubaier Unternehmen DP World, einer der größten Hafenbetreiber der Welt, erhielt die Lizenz für einen Tiefseehafen in Berbera. In der Stadt am Golf von Aden soll ein moderner Hafen und damit ein neuer Handelsknoten zwischen Ostafrika und dem Rest der Welt entstehen. Somalilands Regierung erhofft sich von dem Projekt nicht nur Jobs und wirtschaftlichen Aufschwung. Sie glaubt auch, dass von der Investition der Dubaier ein Signal an andere Investoren ausgeht. So könnte es mit der Entwicklung Somalilands weitergehen - auch ohne internationale Anerkennung.

Shukri Bandare, die Ministerin, weigert sich jedenfalls, pessimistisch zu sein. "Natürlich leben wir hier mit Einschränkungen. Aber ich habe keine Lust, mich darauf zu konzentrieren. Ich will lieber mit dem arbeiten, was ich habe." Und die Anerkennung? Da bemüht Bandare wieder ein Mantra. "Wir hoffen, dass wir eines Tages eine freie Nation sein werden. Und so Gott will, wird es bald sein."

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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