Afghanistan und GM:Darling von gestern - Deutsche gegen Obama

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Barack Obama ist womöglich längste Zeit Lieblingsamerikaner der Deutschen gewesen - wegen des Kriegs in Afghanistan. Die Bundesregierung will nicht, wie verlangt, 2500 zusätzliche Soldaten schicken. Auch das Problem Opel sorgt für Streit.

Hans-Jürgen Jakobs

Der Krieg in Afghanistan gehört zu jenen Themen, die Deutsche gerne verdrängen. Zuletzt aber ist durch die Vertuschungsstrategie des Verteidigungsministeriums rund um das Tanklaster-Bombardement bei Kundus das Problem am Hindukusch drastisch publik geworden. Sogar in den "Polizeiruf 110" hat es das Tabuthema jüngst geschafft.

"Auf dem Spiel steht die Sicherheit der Welt." Barack Obama während seiner Rede in West Point. (Foto: Foto: AP)

Nun setzt US-Präsident Barack Obama die Bürger seines Landes - und erst recht die Bündnispartner - unter neuen Druck. Mit 30.000 zusätzlichen Soldaten will der Friedensnobelpreisträger die Wende im Kampf gegen die radikal-islamistischen Taliban erzwingen. Bis zum Sommer 2010 soll das amerikanische Truppenkontingent am Hindukusch auf dann fast 100.000 aufgestockt werden. Und die Mitstreiter sollen verstärkt ran, damit in 18 Monaten der Abzug aus Afghanistan eingeleitet werden kann.

Initiative zurückgewinnen

"Wir müssen jetzt zusammenstehen, um diesen Krieg erfolgreich zu beenden", beschwor Obama in seiner Rede an der Militärakademie West Point: "Auf dem Spiel steht nicht einfach nur die Glaubwürdigkeit der Nato. Auf dem Spiel steht die Sicherheit unserer Verbündeten und allgemein die Sicherheit der Welt." Die Truppenaufstockungen seien nötig, um die Initiative in dem vor acht Jahren begonnenen Krieg zurückzugewinnen.

Er habe, so Obama, die Verbündeten gebeten, ihren Beitrag ebenfalls zu erhöhen. "Einige haben schon zusätzliche Truppen entsandt, und wir sind zuversichtlich, dass es in den kommenden Tagen und Wochen weitere Zusagen geben wird. Unsere Freunde haben mit uns gekämpft und geblutet, sind mit uns gestorben in Afghanistan."

Soll jetzt noch mehr geblutet und gestorben werden? Die USA erwarten von den Partnern eine Aufstockung um 5000 bis 7000 Soldaten. Bis zu 2500 sollen offenbar, so die Pläne in Washington, aus Deutschland kommen. Während Großbritannien, Kanada und Polen rasch Zustimmung signalisierten, waren die Reaktionen aus Deutschland und Frankreich gedämpft.

Es baut sich - nach den harschen Tönen des Altkanzlers Gerhard Schröder gegen den Irak-Kriegsherrn George W. Bush im Jahr 2002 - der nächste transatlantische Konflikt auf.

Differenzen in der Wirtschaftspolitik

Auch beim Thema Wirtschaft tun sich schwere Differenzen auf. Der Auto-Riese General Motors orderte seinen Verwaltungsratschef Ed Whitacre an die Spitze des Managements - er ist ein Vertrauter des US-Präsidenten Obama. Der 68-Jährige fährt einen ganz anderen Kurs als der jetzt zurückgetretene Fritz Henderson, der die Rüsselsheimer Tochter Opel aus den Fängen von GM entlassen wollte.

Nun aber kaufte der US-Gigant die Deutschen zurück und will Opel im Imperium belassen - sehr zum Kummer der deutschen Arbeitnehmer. Tausende Jobs sind in Gefahr. Da bei GM der amerikanische Staat maßgeblicher Gesellschafter ist, schlagen die sich aufbauenden Spannungen auf Obama durch. Der Mann, der zum Lieblings-Amerikaner der Deutschen wurde, könnte bald Persona non grata sein. Der glorreiche Auftritt vor der Berliner Siegessäule 2008 könnte bald in Vergessenheit geraten.

Sicher ist, dass die Bundesrepublik vorerst keine zusätzlichen Kampftruppen nach Afghanistan schicken will. Sie bietet lediglich mehr Hilfe bei der Polizei-Ausbildung an. Nur so könnten die Afghanen in die Lage versetzt werden, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen, sagt Bundesaußenminister Guido Westerwelle: "Niemand will, dass dieser Einsatz ewig und drei Tage dauert." Und: "Es wird keine militärische Lösung geben - was wir brauchen, ist eine politische Lösung, die militärisch unterstützt wird."

Die Deutschen verstehen unter Frieden offenbar etwas anderes als der Friedensnobelpreisträger, den der Spiegel prompt zum "Kriegsnobelpreisträger" promoviert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemüht sich, in dem sensiblen Verhältnis nichts anbrennen zu lassen - und redet lieber von Obamas Abzugsperspektive. Es sei richtig und sinnvoll, ein konkretes Zieldatum zu setzen - die Kanzlerin habe diese und andere Ziele Obamas mit seiner neuen Afghanistan-Strategie begrüßt, erklärt Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Er äußerte sich aber nicht dazu, ob der Rückzugstermin 2011 auch für die deutschen Truppen gelten könnte. Wilhelm betonte, deutsche Haltung bleibe es, erst nach der Afghanistan-Konferenz über eine Aufstockung der deutschen Truppen zu entscheiden. Über die Erwartung, dass die Bundeswehr bis zu 2500 Soldaten mehr in das Kriegsland abkommandieren soll, sagte er nichts.

Auf Probleme dürfte Truppenaufstocker Obama auch in den USA stoßen. Im Kongress dürften angesichts klammer Staatskassen die anvisierten Kosten des Einsatzes Widerspruch hervorrufen: Zusätzlich 30 Milliarden Dollar werden allein für den laufenden Haushalt benötigt.

Erbitterte Gegnerschaft droht ihm nicht nur seitens der oppositionellen Republikaner, sondern auch aus den eigenen Reihen. Zahlreiche Abgeordnete und Senatoren der Demokraten müssen sich Ende 2010 zur Wiederwahl stellen.

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