Das Ausmaß der Treue ihrer deutschen Freunde dürfte auch manche bei der FPÖ in Österreich ziemlich überrascht haben, soweit sie diese Frage in diesen Tagen überhaupt interessiert. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hatte schon am Samstag den Ton vorgegeben und betont, dass seine Partei treu zur FPÖ stehe. Am Sonntagabend in der Sendung "Anne Will" legte er nach. Ganz gleich, was durch das Strache-Video zutage getreten sei, nichts sage das über die FPÖ, die man nicht in "Mithaftung" nehmen dürfe. Sie habe gute Arbeit geleistet. Und auf Twitter schreibt Meuthen, Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl: "Wir werden weiter mit der FPÖ zusammenarbeiten - das ist programmatisch unsere Schwesterpartei!"
Nicht einen Moment zeigt sich Meuthen schockiert über die Affäre. In Berlin setzt sein Parteifreund Armin-Paul Hampel, der frühere Journalist ist Bundestagsabgeordneter, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auf eine Art Gegenoffensive. Er nennt Straches Rücktritt zwar richtig, sagt aber, Strache sei auch ein "Opfer", weil ihm eine Falle gestellt wurde. Hampel kritisiert die Entstehung der Videoaufnahmen, und diese Kritik ist ihm an diesem Morgen das Wichtigste.
Die Bindung der AfD-Spitze zu Strache soll nicht besonders intensiv sein
Der Berliner AfD-Landeschef Georg Pazderski, Mitglied des Bundesvorstands, schlägt im Gespräch mit der SZ ähnliche Töne an. Das Video zeige, wie man aus Leichtgläubigkeit und Selbstüberschätzung in eine Falle tappen könne, sagt er und ergänzt, dass für die AfD deutlich wird, "dass unsere Gegner im Kampf gegen rechts mit allen Bandagen, auch mit den Mitteln des Betrugs, ohne Rücksicht auf Beschädigung der Demokratie kämpfen". Er rate zu äußerster Vorsicht im Umgang "mit irgendwelchen großzügigen Geldgebern". So wird versucht, die Verhältnisse umzukehren - im Wissen um das Misstrauen der AfD-Anhänger gegenüber den Medien. Man sieht sich gern als Opfer vermeintlich dunkler Machenschaften. Die AfD hat ohnehin die Erfahrung gemacht, dass Affären ihr bei Wahlen wenig schadeten, so will die Parteispitze das FPÖ-Desaster erst recht gelassen sehen.
Die Bindung der AfD-Spitze zu Strache soll aber ohnehin nicht so intensiv sein, wie es zu Zeiten der Bundestagswahl 2017 aussah, als sich die AfD-Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland mit der FPÖ-Spitze trafen. Weidel sagte danach, die AfD könne "enorm viel von der FPÖ lernen". Gauland nannte die FPÖ damals ein Vorbild. Man suchte auch Rat und Expertise in Wien.
Weidel holte sogar einen aus Deutschland stammenden langjährigen Mitarbeiter der FPÖ aus Wien nach Berlin, auch wegen seiner Erfahrungen in der Parlamentsarbeit dort: Der Politikwissenschaftler Daniel Tapp hatte seit 2008 für die FPÖ gearbeitet, freilich fernab von Straches Umfeld. Tapp ist seit 2017 Weidels persönlicher Sprecher in der Fraktion. Aber ein intensiver Austausch mit Wien sei in den zwei Jahren seit dem Einzug der AfD in den Bundestag nicht entstanden, heißt es. Einzelne wundern sich an diesem Montag denn auch, dass die Parteispitze sich nicht deutlicher von Strache abgrenzt. Im umgekehrten Fall wären die Österreicher sicher schneller und klarer auf Distanz gegangen, wird gespottet. Aber nach außen ist die Linie geschlossen.
Der AfD macht ihr Image als EU-Austrittspartei zu schaffen
Knapp eine Woche vor der Europawahl möchte die AfD möglichst schnell zur Tagesordnung übergehen - und auf die Themen setzen, von denen sie sich Stimmgewinne erhofft, vor allem die Flüchtlingspolitik. Denn ganz unabhängig von der Lage in Österreich geht sie tatsächlich mit einem unsicheren Gefühl in die Wahl. Wie Spitzenleute einräumen, spürt die Partei, dass andere Themen wie etwa der Klimaschutz oder der Artenschutz derzeit die öffentliche Debatte beherrschen. Es sind Themen, bei denen sie kaum auftaucht, wenig punkten kann und ihre Klientel schwerer zu mobilisieren ist.
Auch ein Fehler, den man intern längst als solchen erkannt hat, macht der AfD im Wahlkampf zu schaffen. Sie spricht sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, dass Deutschland die EU verlassen soll, wenn sich "unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen". Dies ist noch eine abgemilderte Formulierung, die erst auf Drängen der Spitze angenommen wurde. Ursprünglich wollten viele der EU-Gegner in den Reihen der AfD, dass die Partei sich noch entschiedener für die Option des EU-Austritts ausspricht. So oder so stößt die AfD damit im Wahlkampf selbst bei einem Teil der eigenen Anhänger auf Unverständnis. Und dass die Partei auch noch die Auflösung des Europäischen Parlaments fordert, sei auch arg schwer zu erklären, wenn ihre Kandidaten sich gerade so leidenschaftlich um einen Sitz dort bewerben, klagen Spitzenpolitiker der AfD.
So belastet es die AfD, dass sie allenthalben als EU-Austrittspartei gilt, obwohl sie es so richtig nicht sein will. Sie fühlt sich von den Medien hier falsch eingeordnet. Dabei ist ihre Botschaft mindestens zwiespältig. Hübsch wird das durch eine Episode um den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung. Dort stand kurze Zeit, dass die AfD für den Austritt sei. Genauso hatte es die Partei zunächst gegenüber der Bundeszentrale angegeben. Als Parteichef Meuthen dies entdeckte, wurde nachgebessert - es heißt nun zur Frage, ob Deutschland austreten solle, die Position der AfD sei "neutral".
Es gab Zeiten, da hoffte die AfD für die bevorstehende Europawahl auf einen weiteren großen Erfolg. Manche spekulierten auf 20 Prozent. Laut Umfragen ist man davon allerdings gerade weit entfernt. Die Partei bereitet sich darauf vor, den Begriff eines großen Erfolgs neu zu definieren. Schon ein deutlich zweistelliges Ergebnis wäre ein klarer Zuwachs gegenüber den 7,1 Prozent, die noch 2014 der einstige Parteiführer Bernd Lucke errang. Hauptsache, so ist zu hören, der Balken zeige einen Zuwachs an.