Ein bisschen anders will es Winfried Kretschmann schon halten mit der Autoindustrie. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg will zeigen, dass er ein Grüner ist, einer der den Planeten bewahren will und zugleich an der Seite der Industrie steht. Also wählt er für Amtstermine zwar einen Mercedes, aber möglichst oft den kleinen, eine B-Klasse.
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Zuletzt hielt Kretschmann es so am Mittwoch vergangener Woche, als er zum Dieselgipfel in Berlin reiste. Zwei Dutzend große, schwarze Limousinen rollten da vormittags über die Wiese vom Kanzleramt zum Innenministerium - so versuchten die Bundesminister und Landespolitiker den demonstrierenden Autogegnern zu entkommen. Und mittendrin eben der kleine Benz mit Kretschmann. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass seine Sicherheitsleute stets im üblichen Staatsformat hinterher fahren: Audi A8.
Die Größe des Autos ist eines der wenigen kritischen Symbole, die der 69-Jährige in dieser Debatte pflegt. Denn an sich ist Kretschmann mittlerweile voll und ganz: Auto-Ministerpräsident. Als er in dieser Woche in der Bibliothek der Villa Reitzenstein zum ausführlichen Rekapitulieren des Diesel-Gipfels empfängt, da überwiegt beim ihm der nüchterne, staatsmännische Pragmatismus: Die harte Kritik von Parteifreunden und Umweltverbänden an den eher mageren Ergebnissen des Diesel-Gipfels? Kann Kretschmann nicht nachvollziehen, obwohl in seiner Landeshauptstadt das Verwaltungsgericht mit Fahrverboten für Dieselwagen droht.
Daimler, Porsche, Bosch, ZF sind alle in Baden-Württemberg beheimatet
Die in Berlin erreichten Verabredungen seien ein wichtiger erster Schritt, ein Kleinreden nicht angebracht. Und überhaupt stimme ihn die Prioritätensetzung nachdenklich: "Eigentlich kämpfen wir Grünen doch gegen den Klimawandel, jetzt sind die Schadstoffe das große Thema." Er als Regierungspolitiker bewege sich in einem Dreieck: Klimaschutz aus Wertschöpfung und Arbeitsplätze und Gesundheitsschutz. Und keines der drei Ziele dürfe man aus den Augen verlieren. Das bedeute: man darf den Diesel nicht verteufeln. Denn es gebe diese Antriebsform in einer sauberen Variante - und die werde auch gebraucht, denn sie sei klimaschonender, weil sparsamer als Benzinantriebe.
In Baden-Württemberg sind die Autokonzerne Daimler und Porsche beheimatet und zudem große Zulieferer wie Bosch oder ZF. Vor der Leistung der Ingenieuren, die dort arbeiteten, "habe ich einen Heidenrespekt", sagt der Grünen-Politiker Kretschmann bei diesem Gespräch. Aber die schlechte Luft, unten im Talkessel, am Neckartor? Die könne man nicht nur der Automobil-Industrie allein anlasten, auch wenn diese viel Vertrauen verspielt habe, antwortet er. Die EU habe "unter Mitwirkung der Bundesregierung" Abgasgesetze gemacht, wo Ausnahmen die Regel geworden seien. "Das ist schwerstes Politikversagen", sagte der Ministerpräsident. "Es gibt also tatsächlich eine Mitverantwortung des Staates."