Grundschule:Wenn Kinder als Problem gesehen werden

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Sollte man Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen die Einschulung verwehren (Symbolbild)? (Foto: dpa)

Keine Einschulung mit schlechtem Deutsch: CDU-Politiker Linnemann nutzt eine Rhetorik der Ausgrenzung. Typisch: Integration von Migranten ist immer nur lästig, nie eine Chance.

Kommentar von Gökalp Babayiğit

Nein, als "Grundschulverbot für Kinder, die kein Deutsch können", wie es die Deutsche Presse-Agentur anfangs umschrieb, lässt sich die Forderung von Carsten Linnemann nicht bezeichnen. Dennoch hat sich der CDU-Politiker mit seinen Interviewaussagen zu Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen ordentlich vergaloppiert. Die Empörung ist nicht nur groß in den leicht zu empörenden sozialen Medien, sondern auch in der eigenen Partei, wie an der Erwiderung von Parteikollegin Karin Prien abzulesen ist. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin bezeichnete den Vorstoß Linnemanns als "populistischen Unfug" und "völlig falschen Weg". Zu Recht.

Linnemann, immerhin stellvertretender Unionsfraktionschef im Bundestag, will Kindern mit ungenügenden Sprachkenntnissen die Einschulung verwehren. Sie sollen in einer verpflichtenden Vorschule Deutsch lernen. Notfalls müsse die Einschulung zurückgestellt werden. Linnemann argumentiert mit dem angeblich sinkenden Leistungsniveau, das - laut Philologenverband - in Klassen mit einem Migrationsanteil ab 30 bis 40 Prozent festzustellen sei. Und er führt auch die ewig dräuenden Parallelgesellschaften ins Feld, von denen es neue in "vielen Bereichen des Landes" gebe.

Es gibt gute Gründe für eine Vorschulpflicht, und die werden durch die Argumente Linnemanns nicht falsch. Dennoch erscheint es sehr fragwürdig, dass Vorschulklassen, in denen Migrantenkinder unter sich die deutsche Sprache erlernen sollen, diese Parallelgesellschaften besser bekämpfen als Grundschulklassen, in denen Migrantenkinder gemeinsam mit deutschsprachigen Gleichaltrigen das Lesen und Schreiben lernen.

Auch die Wortwahl Linnemanns lässt darauf schließen, dass der CDU-Politiker nicht nur sachlich diskutieren wollte. Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen, die in der Grundschule "nichts zu suchen" hätten, sind für ihn zuvörderst ein Problem, das es dringend zu beseitigen gilt. Immerhin gehe es ja um das "Leistungsniveau" der Mehrheit deutschsprachiger Sechsjähriger. Dabei gibt es Zehntausende Kinder, die trotz schlechter oder gänzlich fehlender Deutschkenntnisse mit gleichaltrigen Muttersprachlern in die erste Klasse kamen, rasend schnell in der Praxis Deutsch lernten und später Beispiele gelungener Integration wurden. Aber das ignoriert Linnemann. Er möchte lieber, dass die Schullaufbahn von Kindern mit Migrationshintergrund mit einer Zurücksetzung beginnt. Dass sich eben jene Kinder oft nichts anderes wünschen, als genauso behandelt zu werden wie ihre deutschsprachigen Gleichaltrigen, ignoriert Linnemann, immer das "Leistungsniveau" von Sechsjährigen vor Augen.

Der CDU-Politiker nutzt bewusst eine Rhetorik der Ausgrenzung. Der Tweet von Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, der seinem Parteikollegen zur Seite springen wollte, verdeutlicht diese Geisteshaltung fast noch besser: Integrationspolitik wird immer als eine die Toleranz herausfordernde Beseitigung von Problemen gesehen, niemals aber als eine Chance auf eine bessere Gesellschaft. Kuban schrieb auf Twitter, wenn ein Kind in Deutschland eingeschult werde, müsse es Deutsch können. Alles andere sei "falsch verstandene Toleranz, die niemandem hilft". Niemandem - außer natürlich den Kindern von Migranten. Aber die gelten wohl nichts.

© SZ vom 07.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Grundschule
:CDU debattiert über Deutschkenntnisse von Kindern

Der CDU-Politiker Carsten Linnemann fordert, Kinder, die sehr schlecht Deutsch sprechen, später einzuschulen. Parteifreunde halten dagegen - und sprechen von "populistischem Unfug".

Von Robert Roßmann

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