Norddeutscher Problemwolf:Wenn sich der Wolf im Funkloch versteckt

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Lieber GW 924m, lass dir das Schicksal dieses Gesellen eine Lehre sein: MT6 alias "Kurti" wurde 2016 erlegt und steht ausgestopft im Museum. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

GW 924m reißt Nutztiere und soll seit Januar getötet werden - doch er will einfach nicht vor die Flinte laufen. Nicht das einzige Problem der Jäger.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Der Problemwolf und die Jäger, die Sache wird immer komplizierter. Jetzt kommen bei dieser Jagdgeschichte aus der Provinz auch noch die sehr deutschen Funklöcher dazu, was man brüllend komisch finden könnte, wenn es nicht um die berechtigten Ängste von Landwirten ginge und um das Leben beispielsweise wehrloser Schafe.

Seit vielen Monaten wird im Norden Deutschlands nach dem Wolf namens oder eher nummers GW 924m gefahndet, bis zuletzt erfolglos. Am 31. Januar hatte das Umweltministerium in Schleswig-Holstein eine Abschussberechtigung erteilt, eine "artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung" zur "Entnahme" des Wolfes GW 924m, wie es heißt, also seiner Tötung, weil das wilde Tier immer wieder Nutztiere reißt. Das Todesurteil gilt für Teilgebiete der Kreise Pinneberg, Steinburg und später Segeberg, zunächst zwischen den Straßen B 206, A 23, A 7 sowie der L 99 und der K 5. Die Vollstreckung misslang bisher.

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Das könnte auch damit zu tun gehabt haben, dass lange nur eine kleine und geheime Expertengruppe das Zielobjekt schießen sollte. Angesichts der mobilen Unabhängigkeit des Tieres und seines beträchtlichen Reviers war das ein ambitionierter Plan, denn soweit man weiß, handelt es sich um einen wahrhaft einsamen Wolf, der durch ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern Größe streift und einem eher nicht mal so eben vor die Flinte läuft. Angesichts der Nöte wird nun im Rahmen einer neuen "Allgemeinverfügung GW 924m" weiteren 150 bis 175 ausgewählten Jägern erlaubt, den Bösewicht zu erlegen. Doch wer mitmachen will, der muss sich erstens beim Kieler Landwirtschaftsministerium registrieren, die E-Mail-Adresse hinterlegen und sich in einen "vertraulichen Verteiler" aufnehmen lassen. Und zweitens müssen die Angemeldeten dann auch per E-Mail erreichbar sein, und zwar jederzeit. Sonst darf nicht abgedrückt werden.

"Ach, der Wolf"

Das Landesamt will den bewaffneten Fahndern stets sofort mitteilen können, wenn ein anderer Jäger diesen bösen Wolf unschädlich gemacht hat - oder wenn ein anderer Wolf in der fraglichen Gegend nachgewiesen wurde. "Die Berechtigten", liest man in der aktuellen Anordnung aus dem Haus des Grünen Umwelt- und Landwirtschaftsministers Jan Philipp Albrecht, "haben in diesem Zusammenhang zu überprüfen, dass auch während entsprechender Entnahmebemühungen jederzeit ausreichend Empfang (Smartphone) zur Übermittlung dieser E-Mail-Nachrichten besteht." Jederzeit ausreichend Empfang ist allerdings auch 2019 eine nahezu unerfüllbare Prämisse. Und es dürfte ein Grund dafür sein, dass sich an der Aktion bisher offenbar nur wenige Jagdausübungsberechtigte beteiligen wollen.

Eine sichere Erreichbarkeit via E-Mail auf dem Smartphone sei "in Schleswig-Holstein und in Deutschland allgemein nicht gegeben", wendet auf Anfrage Marcus Börner ein, der Geschäftsführer des Landesjagdverbandes Schleswig-Holstein. "Es gibt so viele Funklöcher." Vor allem in den abgelegenen Gefilden, die dieser Räuber gern aufsucht. In der Warteschleife des Landesjagdverbandes erklingt übrigens ein Jagdhorn, und auf die Antwort nach der Frage nach dem Grund des Anrufs erwidert die verbindende Frau am Telefon: "Ach, der Wolf."

"23 Schafrisse mit 40 getöteten Individuen und ein gerissenes Kalb"

Ach, der Wolf. GW 924m. Die Rückkehr der Wölfe ins vereinte Land ist einerseits begrüßenswert, andererseits schwierig. Und nein, lustig ist es natürlich nicht, frag' nach bei betroffenen Bauern im Krisengebiet. In ihrer erweiterten Schießerlaubnis führt die Verwaltung in Schleswig-Holstein "23 Schafrisse mit 40 getöteten Individuen und ein gerissenes Kalb" auf. In mindestens 13 Fällen handelt es sich bei dem Verursacher eindeutig um GW 924m.

Auch Börner weist darauf hin, dass "der Hintergrund relativ ernst" sei. Es geht ja auch um rechtliche Fragen. Generell sind Wölfe, sofern sie nicht als Problemwölfe deklariert sind, geschützt. Ihr Erlegen ist verboten. Und selbst diejenigen, die wie das Exemplar GW 924m zum Abschuss freigegeben wurden, tragen kein Etikett mit sich herum. Börner warnt vor möglichen Strafanzeigen. Er wünscht sich Anonymität für die Wolfsjäger. Er würde außerdem dazu raten, alle potenziellen Erleger mitmachen zu lassen. Börner meint, dann würde die Wahrscheinlichkeit, GW 924m zu treffen, erheblich steigen.

© SZ vom 13.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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