Wetter - Düsseldorf:Krisenstäbe: NRW bereitet sich auf neue Unwettergefahren vor

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Teile der Fahrbahn und Lärmschutzwand in die Erft. Foto: David Young/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalen rüstet sich für mögliche neue Starkregenfälle am kommenden Wochenende. Per Erlass des NRW-Innenministeriums würden die Leitstellen von Feuerwehr und Polizei nochmals besonders für die Wetterlage sensibilisiert, teilte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf mit. "Die Arbeit in den Krisenstäben der Städte und Kreise wird auch am Wochenende fortgesetzt, um die Lage vor Ort zu koordinieren. Gleiches gilt für die Koordinierungsgruppe des Krisenstabs im Innenministerium."

Mit dem Deutschen Wetterdienst (DWD) sei sowohl für Samstag als auch für Sonntag vormittags eine Telefonkonferenz vereinbart, in der Spitzen von Krisen- und Katastrophenstäben möglicherweise extrem betroffener Kommunen aus erster Hand die aktuellsten Informationen zur Wetterlage erhalten sollen.

Bei dem Jahrhundert-Unwetter vor einer Woche gab es im Westen Deutschlands mindestens 179 Todesopfer - in Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Toten am Freitag um 4 auf 132. Hinzu kamen enorme Sachschäden. Von vielen Seiten waren mangelhafte Kommunikation und zu späte Warnungen an die Bevölkerung kritisiert worden.

Der DWD rechnet für Samstag in den Hochwasser-Katastrophengebieten erneut mit Gewittern. Allerdings bleibe die Regenmenge wohl meist unterhalb der Warnschwelle, wie die Meteorologen in Offenbach berichteten. Für präzisere Aussagen über betroffenen Orte und die Intensität der Niederschläge sei es noch zu früh.

Klar sei aber, dass es der Südwesthälfte Deutschlands zu Schauern und Gewittern kommen könne, "die auch Unwetterpotenzial haben", wie Martin Jonas aus der Wettervorhersagezentrale sagte. Auch die vom Hochwasser verwüsteten Gebiete könnten erneut betroffen sein. "Es werden in der Region Gewitter auftreten - aber nicht überall". Zwar hätten sie Unwetterpotenzial, "aber Regenmengen bis in den Unwetterbereich werden allenfalls regional eng begrenzt auftreten - meist handelt es sich um nicht warnwürdige Niederschlagsmengen."

Die Städteregion Aachen erwartet am Wochenende trotz des angekündigten Starkregens keine weiteren Überflutungen. Der Wasserverband habe durch eine erhöhte Wasserabgabe in den Talsperren Platz für den zusätzlich erwarteten Regen geschaffen, teilte die Städteregion mit. "Die Niederschläge können dadurch voraussichtlich vollständig aufgenommen werden."

Örtlich sei jedoch mit Starkregen und dadurch auch mit Wassereinbrüchen in Kellern zu rechnen. Der stellvertretende Kreisbrandmeister Jürgen Förster warnte daher die Bürger: "Sollte es dazu kommen, dass Wasser in die Kellerräume dringt, schalten Sie bitte elektrische Geräte und Heizungen in Räumen, die volllaufen können, ab. Denken Sie an die Stromschlaggefahr." Zudem sollten sich die Menschen nicht im Keller oder in Tiefgaragen aufhalten, wie Förster weiter mitteilte. Bei mehr als 30 Zentimeter Wasserhöhe sollte demnach die Feuerwehr gerufen werden.

Unterdessen hob der Rhein-Erft-Kreis mit dem besonders stark betroffenen Erftstadt den Katastrophenfall gut eine Woche nach dem verheerenden Hochwasser auf. "Es grenzt an ein Wunder, dass wir bis heute keine Vermissten und Toten zu vermelden haben", sagte Landrat Frank Rock.

Das Deutsche Psychotherapeuten-Netzwerk (DPNW) stellt 100 Therapieplätze für die Akutbehandlung von Betroffenen der Flutkatastrophe zur Verfügung. "Wir rechnen mit einer Welle traumatisierter Menschen", teilte der Vorsitzende Dieter Adler mit.

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dankte den Sportvereinen für die Unterstützung der Opfer der Hochwasserkatastrophe gedankt. Er lobte Clubs wie den FC Bayern, den FC Schalke 04, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Fortuna Düsseldorf, den 1. FC Köln, Bayer Leverkusen und viele weitere Fußball- und Sportvereine aus ganz Deutschland für ihre schnelle und großzügige Hilfe.

Der Zweckverband Eifel-Ahr untersagte wegen Trinkwasserknappheit jegliche Wasserverschwendung auch für nicht von der Flut betroffene Gebiete. Es dürften keine Autos gewaschen, keine Pflanzen gewässert und keine Pools befüllt werden. Zu den betroffenen Orten gehört auch Reifferscheid im nordrhein-westfälischen Kreis Euskirchen.

Die Deutsche Bahn zog eine erste Zwischenbilanz und schätzte die Schäden an Strecken, Bahnhöfen und Fahrzeugen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen auf insgesamt rund 1,3 Milliarden Euro. 600 Kilometer Gleise seien betroffen sowie 50 Brücken und Dutzende Stationen und Haltepunkte, berichtete der Vorstand für Anlagen- und Instandhaltungsmanagement bei der Bahn-Tochter DB Netz, Volker Hentschel in Berlin. Der Konzern sei dennoch zuversichtlich, die größten Schäden bis Jahresende beheben zu können, so dass der Verkehr wieder weitgehend normal läuft.

Auch im Wald hat die Flutkatastrophe gefährliche Spuren hinterlassen. Die gewaltigen Regenmassen zerstörten zahlreiche Waldwege, berichtete der Verband Wald und Holz NRW am Freitag. Vor allem in der Eifel sowie im Sieger- und Sauerland seien viele Strecken unpassierbar. Das NRW-Umweltministerium richtete eine Koordinierungsstelle ein, um die von Unwetter betroffenen Kommunen und Krisenstäbe bei der Organisation der Abfallentsorgung zu unterstützen.

Der ADAC rechnet wegen der Hochwasserkatastrophe und der Halbzeit der Sommerferien in NRW zum Wochenende mit vollen Autobahnen. Im Rheinland sind etwa 90 Kilometer Autobahn von Flutschäden betroffen, darunter die A1 und A61. Auf den alternativen Strecken über die A4, A555 und A565 zwischen Bonn und Köln müsse mit Staus und erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet werden. "Autofahrer sollten vor der Abfahrt Kartenprogramme mit aktuellen Verkehrslagen und Sperrungen prüfen."

© dpa-infocom, dpa:210723-99-495875/5

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