Gastronomie:"Wer Tiere essen will, sollte sie töten können"

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Wander Alblas lässt Gäste in seinem Pop-up-Restaurant selbst Hühner rupfen. (Foto: Wander Alblas/PR)

Ein niederländischer Koch möchte den bewussten Fleischkonsum fördern - und geht dafür ungewöhnliche Wege.

Von Lea Hampel

Wer derzeit in der Gastronomie vorn dabei sein will, praktiziert ein Prinzip, das "farm to table" heißt, vom Hof auf den Teller sozusagen. Wie jeder Trend hat auch dieser seine Extreme, anders lässt sich der Ansatz von Wander Alblas, einem Gastronomen in den Niederlanden, kaum beschreiben. Gäste, die in seinem eigens gegründeten temporären Restaurant "Upstick" in Schaarsbergen, im Osten des Landes, ein Huhn verzehren, müssen helfen, wenn ein Vogel geschlachtet wird.

Den 27 Jahre jungen Mann treibt schon lange um, welche Folgen die fleischlastige Ernährung für Klima und Umwelt hat. Als einer seiner Lehrer auf der Hotelfachschule ein Buch über Insekten geschrieben hatte, war Alblas überzeugt: "Das ist die Lösung für unsere Ernährungsprobleme." Aber: Sein Businessplan für einen Foodtruck mit Krabbeltieren war zu teuer - und interessierte niemanden. Als er im vergangenen Jahr einen Schweinestall besuchte, "Räume ohne Fenster, mit künstlichem Licht", begriff er: Er muss einen Schritt früher anfangen, nicht bei der Lösung, sondern beim Problem. "Es ist Zeit, dass die Menschen wieder wirklich begreifen: Für das Fleisch auf ihrem Teller muss ein Tier getötet werden", sagt Alblas. Oder, simpler: "Wer Tiere essen will, sollte sie töten können."

Zur Vorspeise gibt es das, was auch Hühner essen

Die Hühner boten sich aus pragmatischen Gründen an. Die Regeln fürs Schlachten sind weniger kompliziert als bei anderen Tieren, der Prozess auch, außerdem gibt es sie in großer Zahl. Jede Sekunde, sagt Alblas, werden in den Niederlanden 18 Hühner getötet. So viele sind es bei ihm an dem einen Abend pro Woche, an dem sein Restaurant geöffnet hat. Den Gästen wird zur Vorspeise das serviert, was Hühner auch essen, Gemüse, Mehlwürmer und Körner.

Anschließend halten sie das Tier, wenn es betäubt und in einen Trichter gesteckt wird und Alblas ihm den Kopf abschneidet. Selbst schlachten dürften sie wegen des Lebensmittelrechts nicht. Alblas "Lieblingsmoment" ist das Rupfen. "Da findet die Transformation statt: Aus dem Tier wird das Stück Fleisch, wie wir es aus dem Supermarkt kennen." Danach, sagt er grinsend, gebe es zur Beruhigung Hühnersuppe. Und schließlich kommt ein gebratenes Huhn auf den Tisch, das in der Woche davor jemand anderes beim Töten gehalten hat - das Fleisch muss reifen, bevor man es verspeisen kann.

"Don't chicken out", deutsch: "kneif nicht", steht auf der Restaurant-Website, und tatsächlich hat bisher kein Gast darauf verzichtet, das Huhn zu essen. Das mag am Preis von 38,50 Euro liegen - oder daran, dass die Tiere womöglich besonders lecker sind, schließlich sind es gut gehaltene Hühner. Nach etwa 150 toten Hühnern beendet Alblas die Aktion diese Woche. Er könnte noch wochenlang Tische füllen, von Anfang an war er fast ausgebucht.

Aber erstens hat er Pläne für die nächste Aktion. Zweitens wollte er genau das nicht: ein Restaurant betreiben, das vor allem Fleisch anbietet. Drittens wäre das auf Dauer anstrengend. Neben Buchungsanfragen hat er böse Post bekommen, ihm wurde vorgeworfen, Konsumenten zu überfordern, bis zum Landwirtschaftsminister ging das Thema. Beschwert haben sich aber auch Tierschützer: Was in Alblas' Restaurant passiert, finden sie, verharmlose die Wirklichkeit.

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