Griechenland:"Rhodos steht in Flammen"

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Rhodos - eine Ferieninsel im Ausnahmezustand. (Foto: Lefteris Damianidis/dpa)

Auf der Ferieninsel brennen Wälder, Kirchen und Dörfer. 19 000 Einheimische und Urlauber wurden in Sicherheit gebracht, der Reisekonzern Tui stoppt bis Mitte der Woche sämtliche Flüge. Und es kommt zu weiteren Bränden - etwa auf Korfu.

Von Mirjam Hauck

"Rhodos steht in Flammen", so schilderten Reporter des griechischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks ERT die Lage auf der Ferieninsel am Sonntag. Seit sechs Tagen wüten die Brände im Süden der Insel und fressen sich durch die Kiefernwälder. Noch am Freitag schien es so, als hätten die Feuerwehren alles unter Kontrolle. Doch dann drehte der Wind - und die Brände gerieten außer Kontrolle. Auch in anderen Gegenden Griechenlands - etwa auf Korfu oder der Peloponnes - brennen inzwischen die Wälder.

Auf Rhodos versuchten die Feuerwehren und viele Freiwillige am Wochenende an drei Fronten zu löschen, zum Einsatz kamen neben Löschflugzeugen auch Hubschrauber und Traktoren. "Der Schutz von Menschenleben hat Priorität", sagte ein Feuerwehrsprecher. Das heißt: Die Feuerwehr musste den Flammen Häuser überlassen. Wie auch viele Fahrzeuge und Tiere.

(Foto: SZ-Karte: Mainka/Mapcreator.io/OSM; Stand: 23.7.23)

Insgesamt wurde 19 000 Menschen aus Dörfern und Hotels in Sicherheit gebracht, teilte das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis am Sonntag mit. Es handelte sich um die größte Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben habe.

Nach ersten Schätzungen der Polizei seien 16 000 Menschen auf dem Landweg und 3000 Menschen von Stränden aus über das Meer in Sicherheit gebracht worden. Viele Betroffene wurden mit Booten von den Küsten evakuiert, weil Fluchtwege über Land durch die verheerenden Brände abgeschnitten waren.

Ein Sprecher des deutschen Reisekonzerns Tui sagte am Sonntag der SZ, man werde Urlaubsflüge nach Rhodos bis zunächst Mitte der Woche aussetzen. Die Flugverbindungen blieben aber bestehen, um Gäste zurück nach Deutschland zu bringen. 7800 Tui-Gäste sollen von dem Feuer betroffen und evakuiert worden sein.

Auch auf Korfu wurden am Sonntag bereits Touristen in Sicherheit gebracht. Am schlimmsten seien die Brände im Norden der Insel, die Orte Santa, Megoula, Porta, Palia Perithia und Siniesersten seien evakuiert und die Menschen zum Küstendorf Kassiopi gebracht worden, berichtet etwa die Zeitung Kathimerini.

"Überall ist Kohle zu sehen"

Die Lage vor Ort war am Sonntag weiterhin dramatisch: Im Dorf Kiotari auf Rhodos brannten Häuser, wie ein ERT-Reporter berichtete: " Überall ist Kohle zu sehen. Es ist ein entmutigendes Bild." Die Zehn-Kilometer-Front bewegte sich am Nachmittag auf das Dorf Asklipio zu. In der Gegend von Apollona und Laerma brannte auch eine Kirche.

Bereits am Samstag mussten die Dörfer Lindos mit seiner berühmten Akropolis aus dem vierten Jahrhundert und Kalathos sowie die Siedlung Pefkos evakuiert werden. Diese Dörfer gehören zu den beliebtesten Touristenorten auf der Insel.

Fischer und Privatleute brachten mit ihren Schiffen die Urlauber aus den Brandgebieten. Zudem wurden alle Touristenboote von der Küstenwache beschlagnahmt, um Urlauber an einen sicheren Ort zu bringen. Sie wurden in Hotels im Norden, der bislang vom Feuer verschont blieb, und in Schulen und Turnhallen untergebracht.

Auch die griechische Luftwaffe war am Sonntag auf Rhodos im Einsatz. Flugzeuge mit Waldbrandbekämpfern und Polizeibeamten landeten auf der Insel: Die Beamten sollten sich an Evakuierungen beteiligen und gegebenenfalls auch Grundstücke bewachen, teilten offizielle Stellen mit.

Touristen auf Rhodos werden auf allen möglichen Fahrzeugen in Sicherheit gebracht. (Foto: Eurokinissi /afp)

Kein Strom, kein Telefon

"Es waren noch nie so viele Dörfer betroffen", sagte eine Deutsche, die seit Jahren auf der Insel wohnt, der Deutschen Presse-Agentur. "Sonst brennt es eher in Richtung Westküste. Diesmal aber kam das Feuer über den Berg nach Südosten."

In ihrer Ortschaft Lachania hätten am Sonntag alle Bewohner gewartet, ob auch ihr Dorf evakuiert werden würde. Der Strom sei schon vor Stunden ausgefallen, sie sitze im Dunkeln, sagte die Deutsche. "Ich habe das Wichtigste ins Auto gepackt, Wasser, Futter für meinen Hund. Aber ich warte auf die Anweisungen der Behörden, es hilft ja nicht, kopflos irgendwo hinzufahren."

Auf der Flucht vor dem Feuer. (Foto: dpa)

Dass es im Süden der Insel derzeit massive Stromausfälle gibt, bestätigen auch die offiziellen Stellen. Viele Netze seien durch das Feuer zerstört worden. Um eine Versorgung aufrechterhalten zu können, haben Behörden das alte Elektrizitätswerk in Soroni wieder in Betrieb genommen.

Videoaufnahmen in griechischen Medien und in sozialen Netzwerken zeigten Menschen, die zu Fuß ihre Urlaubsorte verließen - manche panisch, andere gelassen, einige hatten ihre Koffer dabei, andere nichts außer den Kleidern am Leib.

20 000 deutsche Urlauber auf Rhodos

Laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) hielten sich am Wochenende mindestens 20 000 deutsche Urlauber auf der Insel auf, betroffen von den Evakuierungen waren nur ein kleinerer Teil. Die Gäste würden gebeten, die Anweisungen der Behörden zu befolgen. Die Reiseveranstalter kümmerten sich mit ihren Reiseleitern vor Ort. Reisende, die in den nächsten Tagen eine Reise nach Rhodos planen, würden von den Veranstaltern kontaktiert und informiert, ob die Reise stattfinden kann.

Ein Tui-Sprecher sagte der SZ, die Waldbrände auf Rhodos seien eine Force majeure, also höhere Gewalt. Auf solche Ereignisse seien die Reiseveranstalter vorbereitet und könnten ihren Kunden beispielsweise Ersatzziele in anderen, nicht von Waldbränden betroffenen Regionen anbieten.

Historische Hitzewelle

Auf Rhodos hat es schon längere Zeit nicht mehr geregnet, es ist sehr trocken - und ein Ende der Hitzewelle zeichnet sich nicht ab. Wie das meteorologische Amt mitteilte, werden im Süden des Landes weiterhin Temperaturen über 40 Grad Celsius erwartet.

Einheimische versuchen bei Lindos, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. (Foto: Lefteris Damianidis/Reuters)

Auch im Norden Griechenlands gibt es derzeit vielerorts Werte um die 40 Grad. Sogar auf den meisten Inseln der Ägäis herrschen Temperaturen über 38 Grad. Einer der führenden griechischen Meteorologen, Konstantinos Lagouvardos, schätzte im staatlichen Fernsehen sie Lage so ein, dass diese Hitzewelle, "wenn es so weitergeht", die längste werden könne, seitdem es Messungen in Griechenland gebe.

Die Feuerwehr warnte daher auch für andere Gebiete vor großer Waldbrandgefahr. "Uns stehen noch schwierigere Zeiten bevor", sagte ein Sprecher im staatlichen Fernsehen. Die Brände im Raum Athen und auf der Halbinsel Peloponnes seien unter Kontrolle gebracht worden. Sie flammen aber immer wieder auf, weil alles vertrocknet sei.

Im Zuge der globalen Erwärmung steigt in vielen Regionen die Waldbrandgefahr, wie der Weltklimarat IPCC festgestellt hat. Zwar kann ein wärmeres Klima dazu beitragen, dass mehr Wasser vom Himmel fällt, auch häufiger in Form von Starkregen. Die Zeiträume ohne Niederschläge werden aber teils länger. Und gerade in ohnehin trockenen Gebieten steigt die Gefahr von Dürreperioden. In extrem trockener Vegetation können sich Waldbrände schneller ausbreiten.

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