Oliver Peters ist vor Kurzem 51 Jahre alt geworden, er arbeitet im Marketing eines Eiscreme-Produzenten. Noch immer ist er Sänger von " 5th Avenue" - der Band, die als erster Headliner das längst legendäre Metal-Festival Wacken Open Air im gleichnamigen Dorf in Schleswig-Holstein eröffnete. Nun startet es in sein 30. Jubiläum, ist zum 14. Mal hintereinander ausverkauft, etwa 75 000 Zuschauer werden kommen.
Herr Peters, wie war das damals, 1990?
Thomas Jensen und Holger Hübner, die beiden Organisatoren, sprechen immer davon, dass beim ersten Wacken 800 Leute kamen. In meiner Erinnerung waren es weniger. Auf dem riesigen Gelände hat sich das auch alles verlaufen. Aber von Anfang an herrschte da ein ganz spezielles Flair, man hat sofort gemerkt, dass Thomas und Holger mit sehr viel Herzblut eine größere Vision verfolgten. Die haben von Anfang an versucht, ihr Festival sehr professionell aufzuziehen.
Bekamen Sie mit "5th Avenue" als Headliner eine Gage?
Weiß ich gar nicht mehr, um ehrlich zu sein. Es gab auf jeden Fall eine ganze Menge Bier und Schnäpse.
Wacken Open Air:Fast 30 Jahre Headbangen
Das Dorf und die harten Typen: Das Heavy-Metal-Spektakel, das jedes Jahr Anfang August im schleswig-holsteinischen Wacken stattfindet, ist Kult und Legende. Eine Sonderausstellung zeigt nun 300 Exponate über die Geschichte des Festivals.
Ihre Band gab es 1990 gerade ein Jahr lang, wie kamen zwei Jungs vom Dorf auf Sie?
Sie hatten uns in Hamburg live gesehen und danach gefragt, ob wir nicht Lust hätten, auf ihrem Open Air zu spielen.
Wussten Sie, was sie da erwartet?
Wir hatten schon einige Festivals gespielt, aber der Weg nach Wacken war schon speziell. Wir kamen aus der großen Stadt über die Autobahn, von da auf die Landstraße, dann wurden die Felder immer größer und die Häuser immer weniger. Wir haben mehr Kühe als Menschen gesehen und uns gefragt: Wo zur Hölle soll hier ein Festival stattfinden?
Bis Sie in die Kiesgrube einfuhren.
Da, wo heute der Backstage-Bereich ist. Da gab es so eine natürliche Erhebung, auf der die Bühne aufgebaut war, da hat man vom ersten Moment an gemerkt: Das hier ist etwas Besonderes.
Wie groß war "5th Avenue" damals?
Wir haben klassischen Hard Rock gespielt, sehr beeinflusst von den USA. Bon Jovi war so eine Band, an der wir uns orientiert haben. Das kam gut an, wir haben in Hamburg das Knust, einen Club für 300 Leute, innerhalb von zehn Minuten ausverkauft. Das hat damals nicht mal R.E.M. geschafft.
Aus dem Knust zum Wacken-Headliner dürfte es heute vermutlich keiner mehr schaffen.
Thomas und Holger wurden damals zu unseren Förderern, sie haben uns häufig mit eingebunden, als sie versuchten, Wacken weiterzuentwickeln und andere Konzerte zu organisieren. Dadurch ist eine Freundschaft zwischen uns entstanden. Wir haben von Wacken profitiert und Wacken von uns - wir haben ja die ersten Leute aus Hamburg da raus gelockt.
Wie lange haben Sie noch auf dem Festival gespielt?
Die ersten fünf Jahre in Folge, im sechsten Jahr waren wir gerade in den USA, um unser erstes Album aufzunehmen. Im Jahr drauf haben wir noch einmal gespielt, danach hat sich die Band aufgelöst.
Warum?
Wir hatten viel Zeit, Energie und Geld in dieses erste Album gesteckt, es mit einem renommierten Produzenten in Los Angeles aufgenommen - und als es fertig war, hat der Manager die Plattenfirma verlassen. Sein Nachfolger hatte dann andere Pläne und unser Album nie veröffentlicht. Das hat die Band nicht verkraftet.
Inzwischen spielen Sie aber wieder Konzerte?
Ja, zwischen 30 und 50 im Jahr. Von damals ist außer mir noch Adrian, unser Bassist, dabei. Wir sind so im Graubereich zwischen Profi- und hochambitionierter Amateur-Band. Aber auch alle keine 20 mehr, haben feste Jobs und wissen, dass wir keine große Karriere mehr machen werden.
Würden Sie gerne wieder auf dem Wacken spielen?
Ich finde es sehr traurig, dass wir nicht mehr dort spielen. Ich sehe 5th Avenue als Band der ersten Stunde, ganz fest verbunden mit der Wacken-Historie. Mit Holger und Thomas diskutiere ich jedes Jahr darüber, aber ich muss akzeptieren, dass sie anderer Meinung sind. Wir sind immer noch befreundet. Wenn wir uns treffen, ist das immer noch sehr herzlich. Wir reden ganz offen und es ist ja klar, dass man auch anderer Meinung sein kann als ich. Im Endeffekt haben die beiden das Festival groß gemacht und nicht wir. Meine Dankbarkeit überwiegt gegenüber der Kritik.
Beim 25. Jubiläum haben Sie ja noch einmal gespielt.
Im Zelt vor 10 000 Leuten. Das war der erste Auftritt meines Lebens, vor dem ich Lampenfieber hatte. Und leider ein Auftritt mit Pleiten, Pech und Pannen. Eine Monitor -Box fiel aus, mit dem Sound gab es Probleme. Trotzdem ein irres Gefühl, wieder da zu sein.
Fahren Sie auch hin, wenn Sie nicht mehr dort spielen?
Holger und Thomas laden mich jedes Jahr ein und ich komme auch jedes Jahr. Da trifft man Leute, die man seit 30 Jahren nur auf Wacken trifft, erlebt dieses spezielle Flair. Das fühlt sich an wie nach Hause kommen.
Werden Sie noch erkannt?
Erstaunlicherweise ja. Es gibt immer wieder Besucher, die 5th Avenue-Shirts tragen. Vielleicht auch, weil sie es cool finden, wenn sie zeigen können, dass sie eine Band der ersten Stunde kennen. Und ich war ja auch mit einem Interview in der 25-Jahre- Dokumentation, ich hatte da so eine Geschichte mit Doro Pesch.
Was ist da passiert?
Naja, sie hatte im Backstage-Bereich ein eigens für sie reserviertes Dixi-Klo. Aber es ist nun mal so: Egal, ob als Besucher oder Künstler, wenn du auf einem Festival ein jungfräuliches Dixi-Klo siehst, interessiert dich nicht, ob da reserviert dran steht. Da habe ich dann tierisch Ärger bekommen.
30 Mal Wacken. Wie hat sich das Festival Ihrer Meinung nach entwickelt?
Man kann nur sagen: Holger und Thomas haben mehr richtig gemacht als falsch. Sie werden ja häufig kritisiert, wenn sie neue Dinge ausprobieren. Aber ich glaube, das ist ihre große Stärke: Dass sie den Mut haben, Neues zu machen. Festivals müssen sich wandeln, um zu überleben - und das kriegen sie sehr gut hin. Ich bin mir sicher, dass es auch ein erfolgreiches 50. Jubiläum geben wird. Aber nicht nur, was das Festival angeht, machen die beiden einen super Job. Auch, was die Integration der Dorfbewohner angeht.
Knapp 2000 Menschen, die eines der größten Metal-Festivals der Welt vor ihrer Haustür erleben.
Die haben schnell verstanden, dass sie dadurch keine Nachteile haben. Im Gegenteil: Holger und Thomas tun viel für das Dorf. Sie unterstützen die Feuerwehr, den Kindergarten, ohne das Wacken-Festival gäbe es in Wacken kein Freibad mehr. Und alle in Wacken haben etwas Besonderes geschafft: Sie haben die Vorurteile gegenüber Metal-Fans abgebaut, Wacken ist ein tolles Beispiel dafür, wie man in einer Gesellschaft Vorurteilen begegnen kann. Ich glaube, man kann viel davon lernen. Wenn die ganze Welt wie Wacken wäre, wäre sie ein großes Stück besser.