Stilkritik "Lebensmittelattentat":Mit Essen spielt man nicht

Lesezeit: 1 min

Das Videostandbild zeigt, wie zwei Aktivisten einen Schokoladenkuchen auf ein Wachsmodell von König Charles III. bei Madame Tussauds werfen. (Foto: Just Stop Oil/dpa)

Tomatensuppe, Kartoffelbrei, Torte: Umweltaktivisten sollten sich überlegen, ob das Werfen von Lebensmitteln tatsächlich ihren Zwecken dient.

Von Martin Zips

Dass der internationale Umweltaktivismus dieser Tage im Zusammenhang mit Torten, Kartoffelbrei oder Tomatensuppe Erwähnung findet, sagt viel über seinen Zustand aus. Hatten Menschen zur Erreichung bestimmter Ziele in den vergangenen Jahrhunderten noch auf Schleudern (David vs. Goliath), Bögen (Robin Hood) oder anderes Gerät gesetzt, so handelt es sich beim Lebensmittelattentat, vor allem auf Kunstwerke, um eine noch recht neue Protestform. Ausgehend von den Filmkomödien der 1930er Jahre waren es hierzulande Kommunarden wie Fritz Teufel, die sich dieser Maßnahme früh bedienten. Allerdings bewarfen sie nicht Gegenstände, sondern zum Beispiel US-Vizepräsident Hubert H. Humphrey mit Pudding.

Während Lebensmittelattacken auf Menschen, die Protestaktionen des belgischen Patissiers und notorischen Tortenwerfers Noël Godin etwa, noch einen gewissen Unterhaltungseffekt mit sich bringen, wirkt Suppe und Brei gegen Leinwand furchtbar hilflos. Ein Kunstwerk kann sich eben nicht, wie 1991 noch Helmut Kohl in Halle, mit Fäusten gegen die Werfer zur Wehr setzen. Es kann sich auch nicht Wegducken, wie im Jahr 2001 der Berliner CDU-Kandidat Frank Steffel hinter Edmund Stoiber vor einem fliegenden Hühnerei. Ob Da Vinci, van Gogh oder Monet - in Museen sind Bilder Lebensmitteln schlicht ausgeliefert (wenn auch oft von Panzerglas geschützt). Gleiches gilt für die Wachsfigur des britischen Königs, die gerade bei Madame Tussauds in London von Umweltaktivisten ("Stoppt die Förderung von Öl und Gas!") mit einer Torte beworfen wurde. Wer wirklich die Welt retten will, dem sei an dieser Stelle gesagt: Mit Essen spielt man nicht.

Kein Problem, nackt auf eine Bühne, in eine Kirche oder durch ein Fußballstadion zu rennen, wenn man protestieren will. Auch Regenschirme aufzuspannen oder sich die Haare zu rasieren, kann sinnvoll sein. Und überhaupt nichts ist gegen Filmkunst als Mittel des Protests einzuwenden - siehe Ruben Östlunds großartige Arm-Reich-Satire "Triangle of Sadness". Doch, die Frage muss erlaubt sein: Warum bedient sich der heutige Umweltaktivist, wenn es schon verderbliche Ware sein muss, nicht aus der Biotonne? Ist ihm der stinkende Mist, wie er gelegentlich von Landwirten vor Behörden ausgekippt wird, zu widerlich? Wie gesagt: Nichts gegen Protest. Aber dann bitte nicht mit etwas, das doch eigentlich zum Verzehr gedacht ist.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAttacken auf Kunstwerke
:Aktivismus für Anfänger

Selbstankleber, Suppenwerfer und "Sofortismus": Zur nun auch schon 100-jährigen Geschichte des Remmidemmis.

Von Gustav Seibt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: