Tote Elefanten in Thailand:"Absolut traumatisches Erlebnis"

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Die einzigen Überlebenden: Elf Elefanten sind in Thailand in einem Fluss ertrunken, als sie ein Kalb retten wollten. Zwei konnten sich retten. (Foto: Panupong Changchau/AFP)

Im Norden Thailands sterben elf Elefanten, als sie einen Wasserfall hinabstürzen. Ein Elefantenschützer erklärt, was passiert, wenn Tiere ihre Herde verlieren.

Interview von Arne Perras, Singapur

Seit Tagen kursiert die Nachricht von einer verunglückten Elefantenherde im Norden Thailands, zunächst hieß es, sechs Tiere seien einen Wasserfall hinuntergestürzt, nun zählten die Wildhüter bereits elf tote Elefanten. Schon einmal, 1992, waren an derselben Stelle im Khao Yai Nationalpark mehrere Elefanten auf ähnliche Weise ums Leben gekommen. John Roberts, Direktor der Golden Triangle Asian Elephant Foundation, versucht zu rekonstruieren, wie es zu diesem Drama kommen konnte.

SZ: Herr Roberts, können Sie erklären, was genau passiert ist?

John Roberts: Es ist schwer, sich ein zuverlässiges Bild vom Verlauf des Unglücks zu machen, denn es geschah ja in der Nacht und niemand war dabei. Um drei Uhr morgens waren Schreie von Elefanten zu hören, die ersten Helfer erreichten den Wasserfall gegen sechs Uhr morgens.

Die Herde soll versucht haben, den Fluss nahe dem Wasserfall zu überqueren.

Genau, aber man darf annehmen, dass sie schlau genug waren, dies nicht unmittelbar am Wasserfall zu tun, sondern schon mit größerem Abstand, flussaufwärts. Elefanten sind auf Sicherheit bedacht.

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Einen Monat lang wurde das Tier immer wieder gesichtet, jetzt konnte die Polizei es einfangen. Da es niemand vermisst, kommt es in den Krefelder Zoo.

Und doch endete der Versuch tödlich.

Es hatte zuvor heftig geregnet, die Strömung war sehr stark, und dann muss es passiert sein. Wir vermuten, dass ein Elefantenjunges im Wasser den Halt verloren hat. Erwachsene Elefanten haben selbst in starker Strömung noch einen guten Tritt, aber wenn sie dem verlorenen Kalb hinterhergeschwommen sind, ist es bei 3,5 oder vier Tonnen Gewicht nicht so einfach, wieder Fuß zu fassen.

Der Brite John Roberts, 45, ist Direktor der Organisation Golden Triangle Asian Elephant Foundation, sie kümmert sich in Thailand um das Wohl von Elefanten, die in Gefangenschaft leben, und unterstützt Projekte zum Schutz wilder Elefanten. (Foto: N/A)

Alle sind hinterhergeschwommen?

Man kann es sich kaum anders vorstellen. Elefanten haben einen sehr ausgeprägten Familiensinn. Vermutlich versuchten sie, das in Not geratene Junge zu retten.

Und dann?

Es kann eigentlich nur so gewesen sein, dass sie nacheinander in die Tiefe gerissen wurden. Zwei hatten Glück und konnten einen tiefen Sturz offenbar vermeiden. Auf Bildern sehen die beiden Tiere sehr erschöpft aus. Helfer haben ihnen dann Futter hingeworfen, Bananen mit Vitaminen, Zuckerrohr. Die beiden waren clever, normalerweise nehmen wilde Elefanten von Menschen kein Futter an, aber sie waren in großer Not, also ließen sie sich helfen.

Wie stehen die Menschen im Norden Thailands zu den wilden Elefanten?

Da gibt es immer wieder Konflikte, etwa, wenn sie auf den Feldern die Ernte fressen. Es ist nicht so, dass hier eine generelle Liebe zu Elefanten herrschen würde. Aber bei diesem Unfall war es anders.

Wie meinen Sie das?

Die Empathie der Menschen hier ist groß, alle nehmen Anteil am Schicksal der Herde. Natürlich sind Elefanten Elefanten, aber die Menschen haben mitbekommen, dass hier eine Familie offenbar versuchte, ein Kind zu retten. Das weckt starke Emotionen.

Was geschieht mit den toten Elefanten?

Es wird nicht leicht sein, sie zu bergen bei diesem Gewicht und in diesem Terrain. Aber die Nationalparkbehörde wird sicher nicht wollen, dass die Gerippe als makabre Überbleibsel für Touristen zu sehen sind.

Was wird aus den beiden Überlebenden?

Der Verlust der Herde ist für sensible Tiere wie Elefanten ein absolut traumatisches Erlebnis. Aber sie kennen diese Gegend, sie können das überleben. Im Nationalpark gibt es 200 bis 300 wilde Elefanten. Womöglich werden die beiden versuchen, sich einer anderen Gruppe anzuschließen. Obwohl das nicht so einfach ist, als Außenseiter müssen sie sich ja in eine festgefügte Hierarchie einer neuen Herde einfinden. Ob das gelingt, wissen wir nicht.

© SZ vom 10.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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