Terrorismus - Mainz:Amri-Anschlag: Opposition vermisst Hilfe bei Aufklärung

Berlin
Ein Namensschild mit der Aufschrift "Zeugin" steht zu Beginn der öffentlichen Zeugenvernehmung. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Drei Jahre nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ziehen Oppositionsvertreter im Untersuchungsausschuss des Bundestags eine verheerende Bilanz. Das Bundesinnenministerium und andere Behörden verweigerten dem Ausschuss Unterstützung, kritisierten die Obleute von FDP, Grünen und Linken am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin. Der Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), Steve Alter, betonte hingegen auf Twitter, das Ministerium unterstütze den Ausschuss "im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen weiterhin bestmöglich".

Am Donnerstag jährt sich der islamistische Terroranschlag, bei dem zwölf Menschen getötet und rund 100 weitere zum Teil schwer verletzt wurden, zum dritten Mal. Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagenfahrer erschossen und war mit dessen Fahrzeug über den Weihnachtsmarkt gerast. Nach seiner Flucht wurde er in Italien von der Polizei erschossen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe nach dem Attentat umfassende Aufklärung zugesagt - ein Versprechen, das der aktuelle Innenminister Seehofer mehrfach erneuert habe. "Von diesem Versprechen ist nichts mehr übrig geblieben", sagte Benjamin Strasser von der FDP. Auch Martina Renner (Linke) beklagte eine mangelnde Mitwirkung von Bundesbehörden und Ministerien. Die Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic sagte, die Berührung Amris mit Bundesbehörden sei unterschätzt worden. Mittlerweile sei klar, dass Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt (BKA) und der Auslandsgeheimdienst BND in dem Fall aktiv gewesen seien.

Strasser drängte Seehofer, die Vorladung eines Beamten des Verfassungsschutzes zu erlauben, der eine Quelle in der von Salafisten frequentierten Berliner Fussilet-Moschee führte. Dort verkehrte auch Amri. "Dieser Zeuge wird uns von der Bundesregierung bis zum heutigen Tag vorenthalten, mit fadenscheinigen Gründen", sagte er. Die Abgeordneten klagten deswegen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Linken-Abgeordnete Renner kritisierte, bis heute habe der Verfassungsschutz dem Ausschuss nicht alle nötigen Akten zu Quellen übermittelt. "Es geht tatsächlich auch darum, dem Ausschuss bestimmte Inhalte möglichst spät, möglichst zu einem Zeitpunkt, wo wir sie nicht mehr in die Beweisaufnahme einführen können, erst zur Verfügung zu stellen", sagte sie. Dass die Regierung dem Parlament wichtige Zeugen und Unterlagen unter Verweis auf Sicherheitsbedenken verweigere, sei ein Unding. "Das ist eine politische Drohung, die man sich als Regierung gegenüber dem Parlament eigentlich ersparen sollte." Grünen-Politikerin Mihalic sprach von einer "Unverschämtheit".

Strasser forderte grundsätzliche Reformen der deutschen Sicherheitsarchitektur. Die von Seehofer angegangenen Neuerungen seien zwar zu begrüßen, gingen aber nicht weit genug. Geplant sind mehrere Hundert neue Stellen bei BKA und BfV und unter anderem ein stärkerer Fokus auf rechtsextreme Netzwerke. "Wir haben zu viele Behörden in Deutschland, die zu wenig zuständig sind. Wir brauchen eine Reduzierung der Anzahl der Behörden, damit Informationen nicht verloren gehen", sagte Strasser.

Mihalic äußerte sich ähnlich. Die Abgrenzung zwischen den Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz verschwimme. "Das führt natürlich dazu, dass am Ende des Tages irgendwie niemand mehr so genau weiß, wofür er eigentlich zuständig ist und wer gerade welchen Fall zu bearbeiten hat." Renner betonte hingegen, der Linken gehe es nicht um Gesetzesnovellen, sondern darum, dass die Behören personell gut ausgestattet seien und qualifizierte Mitarbeiter hätten.

Wie auch die Oppositionsvertreter sieht der Ausschussvorsitzende Klaus-Dieter Gröhler von der CDU noch viele offene Fragen. "Wir wissen zum Beispiel gar nicht, wo war Amri zwischen dem Verlassen Berlins (...) und seiner Ankunft in Nordrhein-Westfalen beziehungsweise außerhalb Deutschlands", sagte er am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin".

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