Orkan "Zeynep":Bilanz des Sturms

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Der Hamburger Fischmarkt steht - mal wieder - unter Wasser. (Foto: Hanno Bode via www.imago-images.de/imago images/Hanno Bode)

Blockierte Straßen, gestrandete Passagiere und Stromausfälle. Schwerverletzte und mindestens drei Tote. Wo der Orkan "Zeynep" in Deutschland besonders stark wütete.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Am Tag danach steht Hamburg noch, es kommt am Samstag sogar für ein paar Sekunden die Sonne heraus. Die Sonne, die man hier seit Wochen in der Regel nur erahnen kann, weil es praktisch immer regnet oder stürmt oder beides. Selbst erprobte Nordländer, für die das Wetter gewöhnlich eine Frage der Kleidung ist, sind mit diesem Winter unzufrieden. Obwohl Stürme im Norden zum Programm gehören, auch 60 Jahre nach der Katastrophe vom Februar 1962, als Hunderte Hamburger ums Leben kamen. Zeynep war deutlich weniger schlimm, aber turbulent und bundesweit in mindestens drei Fällen tödlich.

Die Todesfälle wurden aus Nordrhein-Westfalen gemeldet, dort starben zwei Autofahrer in ihren Fahrzeugen. Und von Niedersachsens Nordseeküste, wo ein 68-Jähriger von einem Dach stürzte, das er reparieren wollte. In ganz Europa soll es mindestens zehn Opfer gegeben haben.

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Ein Sturm folgt auf den nächsten: Nach "Ylenia" hat sich nun "Zeynep" vor allem den Norden Deutschlands vorgenommen und schwere Schäden verursacht. Auch die Nordseeinseln sind betroffen. Die Bilder.

Im deutschen Norden tobte sich der Orkan mit äußerst kraftvollen Böen aus. 172 Kilometer pro Stunde am Leuchtturm auf Hiddensee, Mecklenburg-Vorpommern, 154 Kilometer pro Stunde auf dem Brocken. In Hamburg wurde aus Zeynep eine sehr schwere Sturmflut, das gab es trotz mehrerer Sturmfluten zuletzt schon länger nicht mehr. Die Elbe: samstags gegen 5.30 Uhr in St. Pauli 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser, dann ist es keine schwere Sturmflut mehr, sondern eine sehr schwere Sturmflut.

Überschwemmungen in der Hamburger Speicherstadt

Der Fischmarkt war überflutet, klar, das ist in solchen Fällen Standard. Es traf auch mehrere Lokale an der Großen Elbstraße. Überschwemmt wurden diesmal außerdem Teile der Speicherstadt und der Hafen-City, beide sind ja am Wasser gebaut, was schön ist und zuweilen riskant.

Frederik und Gerrit Braun nutzten die Lage und ließen auf einer überfluteten Straße eines ihrer ferngesteuerten Kreuzfahrtschiffe aus dem "Miniatur Wunderland" kreuzen, die Modelle scheinen ansatzweise hochseetauglich zu sein. "Wieder eine schöne Gelegenheit, unseren Schiffen mal Auslauf zu schenken", so die Brüder und Betreiber der Anlage auf Facebook, wo das "Miniatur Wunderland" fast 1,6 Millionen Follower hat, es ist eines der beliebtesten Ziele Deutschlands. "Dieses Mal war der Wind leider zu stark für eine richtig große Fahrt." Ansonsten zicke die Brandmeldeanlage noch herum, hieß es, und die Fahrstuhlschächte müsse man noch leer pumpen, wolle jedoch pünktlich wieder öffnen. Zwei andere Männer waren vermutlich weniger entspannt, die Feuerwehr holte sie in der Speicherstadt mit dem Schlauchboot aus ihrem treibenden Auto.

Feuerwehrleute retten in der Hamburger Speicherstadt einen Mann aus seinem Auto, der zuvor versehentlich in das Wasser gefahren war. (Foto: Daniel Bockwoldt/dpa)

Sylt verlor eine Menge Sand

Die Rettungsdienste hatten reichlich zu tun mit Zeynep, wie kürzlich bereits mit den Stürmen Nadia und Ylenia, Hunderte Einsätze gab es allein in dieser Hansestadt. Umgekippte Masten, umgestürzte Bäume, einer traf zwei geparkte Autos und verletzte ein Mädchen leicht. Immer wieder sind es Videos aus Hamburg, die bei den Stürmen im Netz zum Hit werden: Bei Zeynep ist es der Containerstapel im Hafen, von dem die Stahlkisten übereinander purzeln, bei Ylenia war es der Clip vom Linienboot auf der Elbe gewesen, als eine Monsterwelle die Scheiben zertrümmerte wie vor Kap Hoorn.

Auf Wangerooge wurde fast der gesamte Strand weggespült, auf Langeoog ein beträchtlicher Teil, Sylt verlor auch wieder eine Menge Sand. Im Kreis Goslar fuhr ein Mann im Sturm gegen einen Baum, bei Hannover verletzte ein entwurzelter Baum einen Passanten ebenfalls schwer. In Gronau nahe Hildesheim krachte eine Kupferplatte von einem Kirchturm auf ein Haus. Das Drittligafußballmatch in Osnabrück wurde wegen Orkanschäden im Stadion abgesagt. Auf der Fehmarnsundbrücke wehte der Wind zwei Lastwagen um. Und auch an Mitteldeutschland zog das Unwetter nicht folgenlos vorbei: In Thüringen zerstörte Zeynep die höchstgelegene Bockwindmühle Deutschlands. Bei der historischen Windmühle im Weimarer Land brach in der Nacht zum Samstag der mittige Hausbalken, auf dem das Mühlenhaus stand.

Der nächste Sturm ist schon angekündigt

Blockierte Straßen, gestrandete Passagiere, Stromausfälle, gestörte Telefonnetze. Der nördliche Zugverkehr wurde vorübergehend eingestellt, bei der Bahn sollen auf 1000 Kilometern Schäden registriert worden sein. Flüge wurden gestrichen, Schiffe blieben in den Häfen, manche wagen es am Samstag dann wieder, wie die Fähre zwischen Rostock-Warnemünde und Gedser in Dänemark. In Bremen knallte ein Kran am Europahafen auf einen Neubau. Einige Gebiete an der Weser wurden vorsorglich geräumt, auch das hatte die Stadt bereits seit geraumer Zeit nicht mehr erlebt gehabt. In Sankt Peter Ording ist der Holzsteg zu einem der Pfahlbauten am Strand kaputt.

Es ist wieder allerhand aufzuräumen, wie üblich nach solchen Wutanfällen der Natur. Manche Folgen sind auch überschaubar: Im Landkreis Aurich setzte ein Bewohner einen Notruf ab, weil vier Dachziegel fehlten und eine Tanne schiefstand, das hielten die Nothelfer für einen mittelguten Witz.

Insgesamt hatten die Behörden angesichts der doch sehr dramatischen Warnungen mit noch übleren Folgen von Zeynep gerechnet. Am Samstag dann relative Ruhe, auch in Hamburg. Das nächste Februarsturmtief zieht von Sonntag bis Montag übers Land, es heißt Antonia.

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