Orkane:Mitten in der Kampfzone

Orkane: "Nicht zu verachtendes Schadenspotenzial": Der Sturm "Ylenia" fegte mit plötzlich auftretenden Böen über Norddeutschland hinweg - umgekippter Lastwagen bei Oldenburg.

"Nicht zu verachtendes Schadenspotenzial": Der Sturm "Ylenia" fegte mit plötzlich auftretenden Böen über Norddeutschland hinweg - umgekippter Lastwagen bei Oldenburg.

(Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)

"Ylenia" und "Zeynep": Gleich zwei Orkane hintereinander fegen über Deutschland. Das hat auch mit Veränderungen eines Windbands in der Atmosphäre zu tun.

Von Christoph von Eichhorn

So extrem Windgeschwindigkeiten von 152 Kilometern pro Stunde, gemessen am Donnerstagmorgen über dem Brocken, auch anmuten: Physikalisch betrachtet geht es dabei um Ausgleich, jedenfalls in der Atmosphäre. Auslöser der zwei aufeinander folgenden Orkantiefs Ylenia und Zeynep am Donnerstag und Freitag sind starke Temperaturunterschiede - nicht etwa über Deutschland, sondern über dem Nordatlantik, etwa zwischen Island und den Britischen Inseln. "Das ist die Energie, die für diese Orkane gebraucht wird", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Um diese Temperaturdifferenzen auszugleichen, setzen sich gewaltige Luftmassen in Bewegung. Die Folge ist Wind.

An sich ist das im Winter nichts Ungewöhnliches, der Nordatlantik produziert praktisch Tiefdruckgebiete am Fließband. Meist ziehen sie aber eher Richtung Osten über Schottland oder Skandinavien ab. Über diese Regionen fegten auch in den vergangenen Tagen schon vergleichbare Unwetter wie jetzt. Pech für Deutschland: "Die Kampfzone hat sich nach Süden verschoben", sagt Friedrich. Die Tiefdruckgebiete nähmen nun eine Bahn, die eher über Dänemark, Norddeutschland und Polen führt. Das hat vor allem mit einer Umstellung des Jetstreams zu tun, eines Starkwindbands in etwa zehn Kilometer Höhe, das die Richtung der Tiefs vorgibt. "So wie eine Straßenbahn an einer Stromleitung entlangfährt, ziehen die Tiefdruckgebiete entlang der Jetstream-Bahn", sagt Friedrich. Der Jetstream zeigt nun eher Richtung Süden und lenkt Ylenia und Zeynep nach Deutschland.

In den Mittelgebirgen erwarten Meteorologen mehr als 100 Liter Regen

Trotz Windgeschwindigkeiten von mehr als 130 Kilometern in der Stunde selbst im Flachland ist aber zumindest Ylenia nach Einschätzung des DWD ein relativ normaler Winterorkan. 1996 und 2007 fegten die Orkane Lothar und Kyrill jeweils mit mehr als 150 Stundenkilometern über Deutschland hinweg und richteten die größten Sturmschäden in jüngerer Zeit an. Auf den Bergen wurden damals sogar Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde gemessen. Dennoch gehe von Ylenia bereits ein "nicht zu verachtendes Schadenspotenzial" aus, warnte der DWD, etwa aufgrund sehr plötzlich auftretender Böen.

Ungewöhnlich ist auch, dass es relativ lange stürmen könnte. Auf Ylenia folgt zum Wochenende hin der Orkan Zeynep, der die Meteorologen vor besondere Herausforderungen stellt. Bei ihm handelt es sich um einen sogenannten Schnellläufer, ein eher schmales Tief, das sich jedoch sehr schnell mit dem Jetstream bewegt. Die Vorhersage dieser Phänomene ist schwierig. Solange das Tief noch über dem Nordatlantik weilt, fehlen meist Daten für eine präzise Prognose - Satellitendaten sind hierfür nicht so aussagekräftig wie etwa Messungen vom Boden aus. Erst relativ kurzfristig lässt sich sagen, welche Bahn Zeynep genau nimmt und wie hoch sein "Kerndruck" ist. Von diesem Wert hängen dann unter anderem die Windgeschwindigkeiten ab. Dass Zeynep Deutschland erfassen wird, hält der DWD aber für "recht sicher".

Neben dem Wind selbst könnte auch der Regen, den die Sturmtiefs mit sich bringen, mancherorts zur Gefahr werden. Bis zum Beginn der nächsten Woche erwarten Meteorologen in der Nordhälfte Deutschlands zwischen 40 und 80 Liter Regen pro Quadratmeter, in den Mittelgebirgen könnten es auch mehr als 100 Liter pro Quadratmeter sein. Damit könnten mancherorts Überflutungen drohen.

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