Wie ein Märchenschloss thront das Badrutt's Palace Hotel über dem St. Moritzersee. Türmchen, Zinnen, Erker, Holzbalkone, Fahnen - das Gebäude wirkt, als sei es für einen Disney-Film konstruiert worden. Vor dem Eingang steht ein schwarzer Rolls-Royce Phantom, der früher der Royal Family gehört hat. Mit diesem altehrwürdigen Gefährt werden Gäste auf Wunsch vom Bahnhof oder vom Flughafen zum Hotel kutschiert. An der hölzernen Drehtür nehmen Portiers in dunkelblauen Anzügen neu Angekommene freundlich in Empfang. Derzeit wird jeder, der diese Tür passieren will, streng kontrolliert.
Die 14 Gäste, die momentan noch im Badrutt's Palace logieren, dürfen das Hotel nicht mehr verlassen, neue Gäste vorerst nicht anreisen. Seit vergangenem Sonntag steht das Haus unter Quarantäne, ebenso wie das Grand Hotel des Bains Kempinski in St. Moritz-Bad. In beiden Häusern wurde die aus Südafrika stammende Mutation des Coronavirus bei Teilen des Personals festgestellt. Die lokalen Gesundheitsbehörden ordneten daraufhin Quarantäne an. Im Kempinski wurden bereits alle Gäste und Mitarbeitenden getestet, alle Gäste waren negativ und konnten das Hotel auf Wunsch verlassen. Die infizierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befinden sich in Isolation. Bei Massentests im Ort wurden insgesamt 53 Infektionen mit Sars-CoV-2 bestätigt, 31 davon betreffen die Mutation N501Y.
Anders als in Deutschland, Österreich und Südtirol, wo die Hotels größtenteils für Touristen geschlossen sind, hat sich die Schweiz lediglich zu einem Mini-Lockdown entschieden. Die meisten Bergbahnen, Hotels und Ferienwohnungen bleiben geöffnet, in St. Moritz sind aktuell 44 Lifte in Betrieb. Ein strategischer Fehler?
Furcht vor einem Imageschaden durch das Virus
"Das mutierte Virus wurde insbesondere bei Hotelmitarbeitenden festgestellt und nicht auf Gäste übertragen", versichert die Kommunikationsstelle Coronavirus des Kantons Graubünden. Dies zeige laut Kantonsregierung, "dass die Schutzkonzepte der Hotels funktionieren und das Testen von Mitarbeitenden eine sinnvolle, wirksame Maßnahme ist." Die Frage ist jedoch, welchen Imageschaden das Virus mittelfristig anrichtet - und wie es den verbliebenen Gästen in der Luxus-Quarantäne geht.
Die Quarantäne im Badrutt's Palace dauert noch bis zum 27. Januar. "Die Stimmung im Hotel ist unter Gästen und Angestellten gut", sagt Hoteldirektor Richard Leuenberger. Es gebe eine große Kooperationsbereitschaft und viel Verständnis. Skifahren, Spazieren auf dem zugefrorenen See und Einkaufsbummel durch die Luxusboutiquen der Fußgängerzone sind für die Gäste im Moment allerdings nicht angesagt - was sehr untypisch ist.
Das Fünf-Sterne-Hotel im Zentrum von St. Moritz gilt eigentlich als Synonym für Glanz und Glamour, seit seiner Eröffnung im Jahr 1896 steigen dort die Reichen, Schönen und Wichtigen ab. Zu den Gästen zählten Audrey Hepburn, Marlene Dietrich und Charlie Chaplin. Die "Royal Corner" in der feudalen Lobby blieb lange den Adeligen vorbehalten - mittlerweile dürfen auch Normalsterbliche den legendären Afternoon Tea dort genießen, vorausgesetzt, sie können sich einen Aufenthalt im Palace leisten.
Quarantäne am Pool oder in der Sauna
"Quarantäne heißt aber nicht, dass alle Gäste sich nur im Zimmer aufhalten müssen", sagt Leuenberger. Die Gäste, die sich noch im Hotel befinden und einen negativen Corona-Test haben, dürfen sich frei im Haus bewegen und alle Einrichtungen unter Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen nutzen. Sie dürfen jedoch das Hotelgelände nicht verlassen. Nachdem alle 3184 Einwohner der Gemeinde PCR-Tests gemacht haben, sind in St. Moritz wieder Skikurse und Spazierengehen ohne Maske erlaubt - aber nicht für die Gäste in Quarantäne. Abreisen sind nur möglich gegen Vorweis eines negativen Tests, der direkt im Hotel vorgenommen wird.
"Wir tun alles dafür, um für unsere Gäste trotz allem einen schönen Aufenthalt zu kreieren", versichert der Direktor, das Angebot sei trotz Quarantäne kaum eingeschränkt. Zu den Annehmlichkeiten des Luxushotels gehören sechs Restaurants, mehrere Pools, Saunen, Fitnessraum, Coiffeur, Butlerservice und vieles mehr. Wer den Kontakt zur Außenwelt scheut, kann sich Köstlichkeiten aufs Zimmer bestellen, etwa Rösti mit Lachs und Kaviar für 95 Franken (88 Euro).
Apropos Kosten: Wer bezahlt die Zeche für die Quarantäne in so einem Superluxushotel? In der Hochsaison im Winter zahlt man für das günstigste Doppelzimmer im Palace etwa 800 Euro, eine Nacht in der Hitchcock-Suite, wo Alfred Hitchcock die Idee zu seinem Film "Die Vögel" gehabt haben soll, beläuft sich auf etwa 3400 Euro. "Es gibt Gäste, die nach dem Erhalt ihres negativen Testresultats abgereist sind, einige haben sich jedoch auch entschieden zu bleiben und ihren Aufenthalt bei uns auf ihre Kosten fortzusetzen", sagt Hoteldirektor Leuenberger. Die erste Nacht vom Beginn der Quarantäne bis zum Erhalt des Testresultats gingen aufs Haus.