Die Stockwerke lassen sich kaum zählen, sind es 16, 22, noch mehr? Ein dichter grauer Schleier umhüllt die Hochhäuser in Tomsk, einer Großstadt in Sibirien, in der etwa eine halbe Million Menschen leben. Trüb sind auch die Fotos aus der Millionenstadt Krasnojarsk, aus Irkutsk, aus Kemerowo, die Einwohner auf Instagram posten.
Deutlich sichtbar ist nur, dass die Waldbrände in Sibirien bereits Auswirkungen auf einen erheblichen Teil der russischen Bevölkerung haben, im Osten des Landes jedenfalls. Einwohner klagen über Smog und Brandgeruch, die Zeitung Iswestija stellte einen Film auf ihre Webseite, auf der Bären aus Angst vor dem Flammenmeer aus der Taiga flüchten und sich bewohnten Gebieten nähern auf der Suche nach Schutz und Futter.
Erderwärmung:Die Arktis brennt
Früher und heftiger denn je wüten in diesem Jahr Feuer in Alaska und Sibirien. Ein Ende der beispiellosen Brände ist noch nicht abzusehen.
Fast drei Millionen Hektar Wald sind bereits abgebrannt
Waldbrände kommen im russischen Sibirien häufig vor, Hitze, kaum Regen, so ist das eben. In den vergangenen Wochen haben die Behörden viele Brände einfach gewähren lassen, denn Russland ist mit Abstand das größte Flächenland der Welt, die meisten Feuer wüteten in entlegenen Gebieten, in denen keine Menschen gefährdet waren und Löscheinsätze für unverhältnismäßig teuer gehalten wurden.
Doch der Wind hat sich gedreht. Fast drei Millionen Hektar Wald sind inzwischen verbrannt, mehrere Hunderttausend Russen haben in einer Onlinepetition die Behörden aufgefordert, den Katastrophenfall zu erklären, weil die Rauchschwaden sich Richtung Westen ausbreiteten, Richtung Nowosibirsk und Ural, der Grenze zwischen Asien und Europa. Am Mittwoch gelangte der Smog in die Mongolei. Und nun hat all dies auch Moskau erreicht, die große Politik.
Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew räumte ein, dass die Lage der Waldbrände "schwierig ist und koordiniertes Handeln" erfordere. "Jeder Gouverneur muss die Situation unter seine persönliche Kontrolle nehmen und soll nicht irgendwelche allgemeinen Sätze sagen oder mit dem Finger nach oben zeigen." Also, Feuer unterm Dach. Den Minister für Naturressourcen, Dmitrij Kobylkin, wies Medwedjew an, persönlich die Lage in Sibirien zu überprüfen. Kobylkin sprach von 2,7 Millionen Hektar, die betroffen seien, zwölf Prozent mehr als noch im vergangenen Jahr. Das enspricht 27 000 Quadratkilometern - und damit fast der Fläche des Landes Brandenburg.
Der Gouverneur des Krasnojarsker Gebiets hatte zunächst gesagt, dass die Waldbrände "natürliche Erscheinungen" seien, die zu bekämpfen keinen Sinn habe oder die sogar nützlich sein könnten. Aber seine Haltung war am Dienstag Geschichte. Der Notstand wurde ausgerufen, wie in vier weiteren Regionen.
Spät fürs Löschen entschieden
Man hat sich nun doch fürs Löschen entschieden. Am Mittwoch ordnete Präsident Wladimir Putin an, dass das Verteidigungsministerium dabei helfen solle.
Reichlich spät, wie einige Experten finden. Alexander Onutschin, Direktor des Krasnojarsker Forst-Instituts, nannte den Verzicht auf Löscheinsätze in abgelegenen Waldgebieten eine "merkwürdige Entscheidung". Nur wenn ein Feuer niedrig und flüchtig sei und in der Frühjahrsperiode im Norden entstehe, sei es nicht schädlich. "Aber wenn es heftig brennt, wie jetzt, kann man schon kaum mehr helfen", sagte er der Zeitung Moskowskij Komsomolez, "das ist ein Schaden für das Ökosystem." Die Organisation Greenpeace Russland erklärte, Ursache für die große Hitze in Sibirien sei ein "blockierter Anti-Zyklon", der zugleich an anderer Stelle zu gewaltigen Mengen Regen und Überschwemmungen führe.
Der Smog von den sibirischen Waldbränden könne sogar bis in die Hauptstadt Moskau getrieben werden. Der russische Greenpeace-Leiter Wladimir Tschuprow macht den Klimawandel für die Wetterextreme verantwortlich, doch auch die Gesetzgebung im eigenen Land könnte bei den Feuersbrünsten eine Rolle spielen. Schon bei den Wald- und Torfbränden, die 2010 Moskau verdunkelten, kritisierten Fachleute, dass der Waldkodex von 2007 das engmaschige Überwachungssystem aus Sowjetzeiten zerstört habe. Auch jetzt weist der Krasnojarsker Institutsleiter Onutschin darauf hin, dass früher schneller gewarnt und in kürzeren Zyklen Löschflugzeuge gestartet seien. Nun könne man nur auf Regen hoffen.