Drogenprozess:"Ich war bei dieser Sache auf keinen Fall der Chef"

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Erneut vor Gericht: Der als Kinderzimmer-Dealer bekannt gewordene Angeklagte mit seinen Anwälten in Leipzig. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

Aus seinem Kinderzimmer verkaufte er über den Online-Shop "Shiny Flakes" fast eine Tonne Drogen - und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nun steht Maximilian S. wieder vor Gericht, bei "Candylove" will er aber nur ein kleines Licht gewesen sein.

Von Iris Mayer, Leipzig

Maximilian S. weiß, wie man ein erfolgreiches Geschäft in Szene setzt. Am Montagvormittag tritt er im Leipziger Landgericht mit mehreren Blättern in der Hand an den Richtertisch und demonstriert, wie simpel der Drogen-Webshop "Candylove" aufgebaut war. "Sie müssen sich das so vorstellen", erläutert er dem Vorsitzenden Richter geduldig und geht die einzelnen Menüpunkte durch: den Warenkorb, die offenen Bestellungen, die Adress-Etiketten. Er führt die Kammer so selbstsicher und ruhig durchs Programm, dass man für einen kurzen Moment meinen könnte, hier präsentiere ein erfolgreicher Jungunternehmer in der "Höhle der Löwen" seine nächste Start-up-Idee. Doch im Landgericht Leipzig wartet nicht der potenzielle Investor Carsten Maschmeyer, sondern der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28-jährigen Maximilian S. vor, gemeinsam mit vier Mitangeklagten von April 2019 bis Januar 2021 unter anderem 16,5 Kilo Amphetamin, 2,5 Kilogramm Haschisch, zwei Kilogramm einer Partydroge, 500 Gramm Methamphetamin und 350 Gramm Kokain in und außerhalb Deutschlands verkauft zu haben - verschickt in 471 Postsendungen. Gesamterlös: 94 000 Euro. Nach Überzeugung der Anklage agierte Maximilian S. als Kopf der Bande, weil er über die nötigen finanziellen Mittel und Fähigkeiten verfügt haben soll.

Diesen Eindruck versucht der Angeklagte nun vor Gericht zu entkräften. Er sei nur ein kleines Licht gewesen, heißt es in einer persönlichen Erklärung, die er von seinem Laptop abliest. "Ich war bei dieser Sache auf keinen Fall der Chef. Ich habe weder Drogen bezahlt noch gelagert noch die Preise für den Verkauf bestimmt." Auch eine Bande habe nicht existiert.

"Es war abgemacht, dass ich mich jederzeit ausklinken kann."

Für den Drogenversand "Candylove" habe er lediglich auf Wunsch seines Mitangeklagten Friedemann G. die Programmierung übernommen. G. habe er im offenen Vollzug kennengelernt, er sei für ihn ein Freund und Beschützer gewesen, eine Art großer Bruder. "Es war abgemacht, dass ich mich jederzeit ausklinken kann", sagt Maximilian S.. Dann erzählt er von seiner Kindheit und Schulzeit, die er als freudlos und einsam schildert. Freunde habe er kaum gehabt, seine Tage mit Computerspielen gefüllt, schon früh anderen bei IT-Problemen geholfen.

Nachdem er im Alleingang aus seinem Kinderzimmer fast eine Tonne Drogen über den Online-Shop "Shiny Flakes" in alle Welt verkauft hatte, wurde Maximilian S. 2015 zu sieben Jahren Jugendstrafe verurteilt. Damals ging es um die Summe von vier Millionen Euro. Netflix diente dieser Fall als Vorlage für die Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" und die Dokumentation "The Teenage Drug Lord", in der Maximilian S. ausführlich erzählt, wie er "Shiny Flakes" aufzog. Auch der Richter nahm am Montag darauf Bezug, er will die Dokumentation in die Verhandlung einführen.

Aus dem neuen Shop "Candylove" habe er selbst keinen Vorteil gezogen, sagt der 28-Jährige vor Gericht. "Ich war und bin hoch verschuldet." Er habe nie mit dem neuen Shop in Verbindung gebracht werden wollen. "Sie müssen verstehen", sagt er, das Gesicht zum Richter gewendet, "ich hab das früher schon mal gemacht, alleine. Und da ist das schon schiefgegangen."

In einem früheren Verhandlungstermin hatten zwei der fünf Angeklagten zugegeben, als Helfer an dem Geschäft beteiligt gewesen zu sein. Dafür habe man ihnen Laptops zur Verfügung gestellt, um die Bestellungen abarbeiten zu können, auch die Miete sei für sie bezahlt worden. Der Vorsitzende Richter erklärte danach, er gehe davon aus, dass das Verfahren gegen diese beiden Angeklagten verkürzt werden könne.

Darauf kann Maximilian S. nicht hoffen, auch wenn er nach gut zweieinhalb Stunden am Montag sagt: "Mir tut das alles sehr leid, insbesondere für meine Familie, meine Verlobte und meinen Hund, die immer zu mir halten."

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:Auf "Shiny Flakes" folgte "Candylove"

Aus seinem Kinderzimmer in Leipzig verkaufte Maximilian S. übers Internet Drogen in die ganze Welt. Netflix machte daraus die Erfolgsserie "How to Sell Drugs Online (Fast)". Inzwischen ist S. erwachsen - und steht nun wieder vor Gericht.

Von Iris Mayer

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