Prozess:Rassistischer Anschlag vor 30 Jahren

Lesezeit: 2 min

Eine Figur der blinden Justitia. (Foto: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild)

Der Brandanschlag von Saarlouis gilt bundesweit als einer der bekanntesten extremistischen Mordfälle ohne Gerichtsurteil. Mehr als drei Jahrzehnte nach der Tat nähert sich nun ein Prozess dem Ende.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Koblenz (dpa/lrs) - Im Prozess um einen tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim 1991 in Saarlouis hat die Anklage neun Jahre und sechs Monate Haft für den Angeklagten gefordert. Für den inzwischen 52-Jährigen, der zur Tatzeit 20 Jahre alt war, sei in dem Mordfall eine Jugendstrafe zu verhängen, sagte am Montag ein Vertreter der Bundesanwaltschaft im Plädoyer vor dem Oberlandesgericht in Koblenz.

Der Angeklagte soll vor 32 Jahren die Einrichtung für Asylbewerber angezündet und so den 27-jährigen Asylbewerber Samuel Yeboah ermordet haben. Der Ghanaer war an schwersten Brandverletzungen gestorben. Zudem brachen sich zwei Bewohner beim Sprung aus dem Fenster Knochen.

„Mit Sicherheit steht fest, dass der Angeklagte den Brand gelegt hat“, sagte Malte Merz, der Vertreter der Bundesanwaltschaft. „Er hat den Tod von Samuel Yeboah zu verantworten.“ Eine schriftlich abgegebene Erklärung des Angeklagten, in der er die Schuld für die Brandstiftung einem damaligen Kameraden aus der Neonazi-Szene gegeben und sich als Mitläufer dargestellt hatte, habe sich laut Bundesanwaltschaft im Laufe des Prozesses als falsch erwiesen. „Mit der Wahrheit hat es nichts zu tun“, sagte der Vertreter der Anklage.

Der 52-Jährige habe bis heute eine „tief verwurzelte rechtsextreme Gesinnung“, so Merz. Belegt sei das etwa durch Chats und aufgezeichnete Telefonate. Für die Bundesanwaltschaft ein weiteres Indiz: 2011 oder 2012 ließ er sich nach eigenen Angaben einen rosaroten Panther auf den Unterarm tätowieren. Zuvor war ein Bekennervideo zur NSU-Mordserie mit der Figur veröffentlicht worden.

In seiner Erklärung habe der 52-Jährige schlagwortartig seine rechtsextreme Gesinnung eingestanden. „Von echter Reue oder gar Einsicht oder einem Gesinnungswandel ist das nicht getragen“, sagte Oberstaatsanwalt Merz.

In der Tatnacht soll der Angeklagte mit zwei Männern aus der rechtsextremen Szene in einer Kneipe gewesen sein. Es sei viel Alkohol geflossen, das Gespräch der drei sei auf die zu der Zeit stattfindenden rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda gekommen.

Nachdem der damalige Anführer der Neonazi-Gruppe gesagt habe, „dass hier auch mal etwas brennen“ müsse, soll sich der Angeklagte entschieden haben, noch in derselben Nacht den Brandanschlag zu begehen. Gegenüber dem laut verschiedenen Zeugenaussagen „führenden Kopf der Szene“ habe sich der Angeklagte profilieren wollen.

Dieser sitzt inzwischen wegen Beihilfe zum Mord und Beihilfe zu versuchtem Mord in 20 Fällen ebenfalls in Untersuchungshaft. Laut Bundesanwaltschaft hat der 52-jährige Angeklagte weiterhin eine Verbindung zu dem Mann. So habe es verschiedene „konspirative“ Treffen und Telefonate zwischen den beiden Männern gegeben - so auch 2020, als der Fall wieder neu aufgerollt worden war.

Mit seinen Aussagen habe er versucht, seinen „Freund“ zu entlasten und die Schuld auf den dritten am Tatabend Anwesenden zu schieben, der inzwischen aus der Szene ausgestiegen ist. Dieser hatte im Prozess bereits als Zeuge ausgesagt, die Anschuldigungen von sich gewiesen und den Angeklagten belastet.

Erste Ermittlungen hatten die Behörden vor mehr als 30 Jahren erfolglos eingestellt. 2019 geriet der Angeklagte nach einem Zeugenhinweis ins Visier der Ermittler. Bei einer Grillparty 2007 habe der Angeklagte nach Angaben der Hauptzeugin gesagt: „Das war ich, und sie haben mich nie erwischt.“

In den Jahren nach der Tat habe der Angeklagte sich in rechten Kreisen als Täter zu erkennen gegeben. So sei er in der Neonazi-Szene als „Feuerteufel“ bekannt gewesen und habe den Tod Yeboahs laut Zeugenaussagen mehrfach rassistisch und hämisch kommentiert.

Am Dienstag werden die Plädoyers von Verteidigung und Nebenklage erwartet. Das Urteil in dem seit November 2022 in Koblenz laufenden Prozess soll am 9. Oktober verkündet werden.

Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Werden Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nach Jugendstrafrecht verurteilt, sind nur in seltenen Fällen bei Mord mit besonderer Schwere der Schuld bis zu 15 Jahre möglich.

© dpa-infocom, dpa:230925-99-326615/3

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: