Prozesse - Hechingen:Bewährungsstrafen bestätigt: "Sie war seine Beute"

Hechingen (dpa/lsw) - Eine knappe dreiviertel Stunde lang senkte die Angeklagte stoisch den Blick hinter ihrem Kappenschirm zu Boden. Ihr mitangeklagter Ehemann hielt sich fast ebenso lange reglos an einer Cola-Flasche fest. Eine knappe dreiviertel Stunde - so lange benötigte Richter Volker Schwarz, um am Mittwoch die Bewährungsstrafen im Berufungsverfahren am Landgericht Hechingen (Zollernalbkreis) zu begründen. Zwischendurch rang er um Worte. In seinem Vortrag musste er die letzten Lebensminuten einer 72 Jahre alten Frau rekapitulieren: Vom Hund der Angeklagten sei sie "angefallen und zerfleischt" worden, so Schwarz. "Sie lag unter ihm und war seine Beute."

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Hechingen (dpa/lsw) - Eine knappe dreiviertel Stunde lang senkte die Angeklagte stoisch den Blick hinter ihrem Kappenschirm zu Boden. Ihr mitangeklagter Ehemann hielt sich fast ebenso lange reglos an einer Cola-Flasche fest. Eine knappe dreiviertel Stunde - so lange benötigte Richter Volker Schwarz, um am Mittwoch die Bewährungsstrafen im Berufungsverfahren am Landgericht Hechingen (Zollernalbkreis) zu begründen. Zwischendurch rang er um Worte. In seinem Vortrag musste er die letzten Lebensminuten einer 72 Jahre alten Frau rekapitulieren: Vom Hund der Angeklagten sei sie "angefallen und zerfleischt" worden, so Schwarz. "Sie lag unter ihm und war seine Beute."

Das Amtsgericht Sigmaringen hatte die beiden Hundebesitzer im Juli 2018 wegen fahrlässiger Körperverletzung - die 44-jährige Frau zu eineinhalb Jahren auf Bewährung, ihren 48-jährigen Ehemann zu zwei Jahren auf Bewährung - verurteilt. Beide wollten das nicht hinnehmen. So landete der Fall vor dem Landgericht Hechingen. Dieses bestätigte nun das Strafmaß aus der ersten Instanz.

Das blutige Ereignis trug sich im Mai 2017 im Örtchen Stetten am kalten Markt zu. Der Hund des Ehepaares ist vor dem Haus mit einer Leine an einem Pfosten festgemacht - doch das Tier kann sich befreien, weil sein Halsband reißt. Es stürzt sich auf eine Seniorin, die auf einem öffentlichen Weg an dem Grundstück vorbeiläuft, und beißt sie mehrfach in Kopf und Hals. Die Frau stirbt.

Die entscheidende Frage in dem seit Anfang Februar neu aufgerollten Verfahren war: Hätten die beiden Hundehalter voraussehen müssen, dass etwas derartiges geschehen könnte? Ihre Verteidiger verneinten dies und forderten Freisprüche. Ole Meßow, Anwalt des Beschuldigten, verwies darauf, dass das Hundehalsband erst 16 Monate alt gewesen sei. Verpflichtende DIN-Vorschriften zur Haltbarkeit solcher Halsbänder gebe es nicht. Außerdem sei der Hund nicht als Kampfhund eingestuft - das inzwischen getötete Tier war von der Rasse Kangal, ein türkischer Hirtenhund. "Der Hund ist vorher nie auffällig geworden und hat nie jemanden gebissen", sagte Ulrich Weber, der Verteidiger der Angeklagten.

Das Schöffengericht wollte sein Urteil dagegen nicht nur auf Zahlen und offiziell festgeschriebene Normen stützen. "Es gibt so etwas wie den gesunden Menschenverstand", sagte Volker Schwarz. Das Halsband sei Wind und Wetter ausgesetzt gewesen, nass und dann wieder von der Sonne getrocknet worden. Zudem sei es von massiven Kräften beansprucht worden: Zeugen zufolge sei der Hund regelmäßig hineingesprungen, wenn Menschen das Grundstück passierten. Neben einer mangelnden Sorge um die Ausstattung kritisierte der Richter auch die Selbsteinschätzung der beiden Angeklagten als Hundehalter - nach Angaben des Beschuldigten hatte seine Frau Angst, mit dem Kangal spazieren zu gehen, weil sie ihn nicht festhalten konnte.

Die Angeklagte leidet an einer Persönlichkeitsstörung, ergab ein Gutachten. Das Paar hat drei Kinder, die das Jugendamt in die Obhut anderer gegeben hat. Der Mann ist mehrfach vorbestraft. Unter anderem wurde er bereits 1995 wegen Tierquälerei verurteilt. Damals sperrte er während einer Auslandsreise einen Schäferhund und mehrere Katzen wochenlang in sein Schlafzimmer ein. Die Tiere verhungerten und verdursteten.

Es tue ihm leid, sagte er am Mittwoch knapp, als das Gericht ihm Zeit für eine Stellungnahme einräumte - um rasch Zweifel am Wahrheitsgehalt der Zeugenaussagen hinterher zu schieben. Seine Frau verzichtete auf eine Äußerung. Sie blickte zu Boden.

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