Hamburg:Jesidin schildert unvorstellbares Leid in IS-Gefangenschaft

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Die Statue der Justitia steht mit einer Waage und einem Schwert in der Hand. (Foto: Arne Dedert/dpa/Symbolbild)

Im Prozess gegen die Witwe des IS-Kämpfers Denis Cuspert hat eine 29-jährige Jesidin von unvorstellbarem Leid in der Gefangenschaft des IS berichtet. "Sie haben...

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Hamburg (dpa/lno) - Im Prozess gegen die Witwe des IS-Kämpfers Denis Cuspert hat eine 29-jährige Jesidin von unvorstellbarem Leid in der Gefangenschaft des IS berichtet. „Sie haben uns sehr viel Leid angetan. All das zu erzählen, würde viele Tage dauern“, sagte die Zeugin am Montag vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. Sie selbst wurde von verschiedenen IS-Kämpfern als Sklavin gehalten, vergewaltigt und auf einem Markt mit anderen jesidischen Mädchen und Frauen verkauft. Die 29-Jährige gab an, die 35 Jahre alte Angeklagte in Syrien kennengelernt zu haben. Ob die Deutsch-Tunesierin auch eine jesidische Sklavin gehalten habe, konnte sie jedoch nicht sagen.

Die Bundesanwaltschaft wirft Omaima A. Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor. Sie soll Anfang 2015 mit drei kleinen Kindern ihrem Mann nach Syrien gefolgt sein und sich dort dem Islamischen Staat angeschlossen haben. Die gebürtige Hamburgerin wird ferner des Menschenhandels und eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit beschuldigt, weil sie eine 13-jährige Jesidin zeitweise als Sklavin in ihrem Haushalt gehalten haben soll. Nach dem Tod ihres ersten Mannes im Frühjahr 2015 habe sie dessen Freund Cuspert geheiratet, der später ebenfalls zu Tode kam.

Die Leidensgeschichte der 29-jährigen Jesidin begann am 3. August 2014. Damals wurde ihr jesidisches Dorf in der Nähe von Sindschar im Nordirak vom sogenannten Islamischen Staat (IS) überfallen. Da sich die 1738 Einwohner nicht zum Islam bekennen wollten, wurden die Männer des Dorfes - darunter ihr Vater und ihre Brüder - erschossen. Die Frauen wurden in drei Gruppen eingeteilt - ältere, Mütter mit Kindern und Jüngere - und in eine Schule gebracht. Um nicht mitgenommen und vergewaltigt zu werden, habe sie so getan, als wäre ihr damals dreijähriger Bruder ihr Sohn.

Später wurde sie nach Rakka in Syrien verschleppt. Dort mussten sich die Frauen ausziehen. „Männer kamen vorbei, begutachteten uns und wenn ihnen eine gefiel, nahmen sie sie mit.“ Ein Kämpfer tauschte sie und ihren kleinen Bruder gegen Waffen. „Später fesselte er meine Hände und vergewaltigte mich“, sagte die 29-Jährige mit fester Stimme und schaut dabei immer wieder zur Angeklagten hinüber. Als nächstes sei sie einem Libyer übergeben worden. „Er hielt mir eine Waffe an den Kopf und sagte: Ich bringe Dich um“, erzählte die Zeugin. Später habe er zu ihr gesagt: „Du bekommst ein Leben, das schlimmer ist als der Tod: Wir werden Dich immer weiterverkaufen.“

Das hätten sie mit vielen jesidischen Mädchen und Frauen gemacht, sagte die Zeugin. In ihrem fast zweistündigen Vortrag kann sie sich an unzählige grausame Einzelheiten erinnern. Eines Tages habe die Frau des IS-Kämpfers, bei dem sie leben musste, zu ihr und einer anderen gesagt: „Macht euch fertig, wie gehen Freunde besuchen.“ So habe sie die Angeklagte kennengelernt.

Wenn die Männer kämpfen gingen, hätten sie ihre eigenen Frauen zuhause gelassen und stattdessen meistens die Sklavinnen mitgenommen. Vom 15. August 2014 bis zum 17. Dezember 2017 - knapp dreieinhalb Jahre - dauerte ihr Martyrium in Gefangenschaft. Dann konnte sie fliehen und in einer Flüchtlingsunterkunft unterkommen.

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