Österreichisch-deutsche Beziehungen:Schas mit Quasteln

Lesezeit: 2 min

Die Deutschen müssen auch in Zukunft wohl eher nach Österreich umsiedeln, wenn's funkt. (Foto: Olaf Schuelke via www.imago-images.de/imago images/Olaf Schuelke)

Drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher können sich eine Beziehung zu einem oder einer Deutschen vorstellen. Nur umziehen, das möchte wirklich keiner.

Von Martin Zips

Gerade hat der deutsche Botschafter in Österreich, der Mann heißt Ralf Beste und war mal Journalist, in Wien eine Studie vorgestellt, in der es darum ging, was die Österreicherinnen und Österreicher so von den Deutschen halten. Das Ergebnis ist, wenig überraschend: ambivalent. Einerseits erfahren die Österreicher die Deutschen als verlässlich, gründlich und freundlich (wer würde da widersprechen?), andererseits kommen die Deutschen den Österreichern manchmal ziemlich rechthaberisch und arrogant vor. Und, logisch, je weiter entfernt von der deutsch-österreichischen Grenze man fragt, umso sympathischer werden die Deutschen ihren Nachbarn. Wobei den Österreichern die Bayern geistig offenbar am nächsten stehen. Während 78 Prozent der Österreicher finden, dass "Deutsche anders ticken", fühlen das beim Gedanken an den Stamm der Bajuwaren nur noch 32 Prozent. Solche Umfragen sind natürlich mit Vorsicht zu betrachten, vor allem, wenn sie in Österreich gemacht wurden. Da erfährt man nämlich oft nicht, wer sie warum in Auftrag gegeben hat.

Jedenfalls war am Ende der Studien-Präsentation in der Hietzinger Residenz des Botschafters Beste dann schon sehr interessant, dass sich zwar drei Viertel der Österreicherinnen und Österreicher eine private Beziehung zu einem oder einer Deutschen vorstellen könnten. Aber nach Deutschland ziehen, das möchten 55 Prozent der 1000 Befragten lieber nicht.

Also müssen die Deutschen wohl auch in Zukunft eher nach Österreich umsiedeln, wenn's mal funkt. Obwohl die, nennen wir sie ruhig Piefkes, dort schon jetzt mit laut Studie 235 000 Eingewanderten die größte Gruppe unter den Ausländern darstellen. Beim indigenen Kaffeehausvolk macht sie das nicht unbedingt beliebter.

Botschafter Ralf Beste (links) mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und dem argentinischen Botschafter in Österreich, Gustavo Eduardo Ainchil. Sympathien für Argentinier wurden in der Studie nicht abgefragt. (Foto: Michael Indra via www.imago-images.de/imago images/SEPA.Media)

Wobei das mit der angeblichen Homogenität der Österreicher natürlich so eine Sache ist. Zum Beispiel hat der gebürtige Kärntner Werner Kofler (der Schriftsteller; der Vizekanzler heißt: Werner Kogler) über die Stadt Wien einmal geschrieben, es sei zum Wahnsinnigwerden, "wenn ich all ihren Unflat anhören muss, den Verkehrslärm, das grauenvolle Glockenläuten abends um sieben, das unerträgliche Wienerisch überall, dieses gemütsmenschliche und gemütsmörderische singende Wienerisch, dieses fachmännische Granteln..." Aber letztlich ist der Grant ja auch nur ein "Schutz vor Euphorie, damit die Hoffnung nicht zu groß werden kann", so hat es der österreichische Kulturwissenschaftler Johannes Domsich einmal im ORF formuliert. Und so dysphorisch der Wiener auch erscheinen mag, "in der Vision vom Tod", so Domsich, sei er "glorios gestimmt". Dennoch scheint es innerhalb Österreichs eine gewisse Inhomogenität zu geben, auch in dieser Frage.

Was es uns Deutschen letztlich besonders leicht machen könnte, irgendwann im Leben vielleicht doch einmal nach Österreich zu ziehen, das könnte dieser unglaubliche Reichtum an wunderbaren Wortschöpfungen sein. "Schas mit Quasteln", "brunzeln", "Gschistigschasti", "Voikoffer", "futschikato". So viel sprachliche Kreativität findet man nirgendwo zwischen Nordsee und Garmisch-Partenkirchen. Die Furcht aller Ungeimpften, nie mehr in ein 2-G-Beisl hineingelassen zu werden, beschrieb das österreichische Blatt Der Standard zuletzt mit: "Schnitzelpanik". Auch sehr hübsch. (Im kostenlosen Österreich-Newsletter der SZ wird jede Woche so ein schöner Austriazismus erwähnt, nicht selten geprägt von "dialektischem Masochismus", von dem der Wiener Essayist Franz Schuh einmal schrieb.)

Kostenlos abonnieren
:SZ Österreich-Newsletter

Was ist los in Österreich? Alles zu Österreich in der SZ. Jeden Freitag per Newsletter. Gleich kostenlos anmelden.

Der Lieblingsaustriazismus des im nordrhein-westfälischen Witten geborenen deutschen Botschafters Ralf Beste übrigens lautet: "Sternspritzer". Damit gemeint sind: Wunderkerzen. Nun ja. Etwas brav vielleicht. Aber doch brauchbar für den weiteren Ausbau der österreichisch-deutschen Sprachfreundschaft. Wir stehen hier noch ganz am Anfang.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Österreich
:Her mit den Aluhüten

Der österreichische Sender Servus TV wirbt zunehmend mit alternativen Realitäten um Publikum. Über ein gefährlich erfolgreiches Geschäftsmodell.

Von Cathrin Kahlweit

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: