Zahlenmystik:Ach, du grüne Neune!

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Das hier ist ein Neunundneunzigstel von neunundneunzig Luftballons. Ob er wohl auch neunundneunzig Cent gekostet hat? Wahrscheinlich nicht, aber hoffentlich auch keine neun Euro neunundneunzig. (Foto: imago images / Westend61)

Obwohl es das neue, günstige Nahverkehrsticket für 92 Tage gibt, heißt es "9 für 90", aus Marketinggründen. Das ist zwar Quatsch, aber dennoch eine gute Idee, denn mit der Zahl Neun ist der Deutsche mehr als vertraut.

Von Martin Zips

Es gibt ja nichts Willkürlicheres als Zahlenmystik. Gut, es mag schon sein, dass einige chinesische Hotels kein viertes Stockwerk ausweisen, weil die Vier in China die deutsche 13 ist, aber auch das ist freilich übelster Aberglaube.

Und doch: Der Deutsche hat offensichtlich eine Neigung zur Neun. Das hat jetzt wieder dieses Ticket bewiesen, mit dem man zwischen Juni und August für monatlich neun Euro im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sein darf. "9 für 90" lautet der griffige Slogan, den sich, so heißt es, Marketingexperten im Auftrag der Dreier-Koalition ausgedacht haben (und, übrigens: Drei mal drei ist neun). Eigentlich sind es ja 92 Tage oder 13 Wochen und ein Tag, an denen man günstig fahren darf, aber beides klingt bescheuert.

Dass es der Deutsche mit der Neun hat, das zeigt nicht nur sein beharrliches Festhalten am "Neuner-Kegeln" (in anderen Teilen der Erde kegelt man bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts mit zehn Pins, was eine Aufstellung im Dreieck ungemein erleichtert). Auch stehen Deutsche sofort Schlange, wenn es bei Aldi wieder was für 9,99 Euro zu kaufen gibt - völlig egal, was es ist. Das kommt wahrscheinlich daher, dass bereits den Kelten und Germanen die Neun sehr wichtig war. Denn mit der Sieben aus Vorderasien wollten Götter wie Odin oder Helden wie Artus nichts zu tun haben. Odin nahm sich daher gleich "neun Riesenjungfrauen" als Geliebte vom Strand mit und hängte sich neun Nächte an den "Weltenbaum", nur, um Weisheit zu finden. Artus hingegen gilt als einer der neun idealen Ritter. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Ludwig van Beethoven (Die neunte Sinfonie!) und Nena (99 Luftballons!).

Die italienische Lieblingszahl: drei. Und was ist drei mal drei? Eben!

Allein die Griechen konnten sich einfach nicht entscheiden zwischen der Sieben und der Neun. Bis heute streiten sie, ob Apollons Leier nun über sieben oder neun Saiten verfügt, die Hydra sieben oder neun Köpfe hat; und auch ob es nun sieben oder neun Musen gibt, darüber ist man sich absolut nicht einig. Daher würde in Griechenland die Frage, ob so ein Spar-Ticket nun sieben oder neun Euro kosten soll, wahrscheinlich sofort eine Regierungskrise auslösen.

In anderen Ländern hingegen, zum Beispiel in solchen, wo mit zehn Pins gekegelt wird, dürfte man sich in dieser Angelegenheit sofort mit "Give me five" einigen. Anders in Italien. Dort, wo Dante durch neun Kreise der Hölle gehen musste, schätzt man als Lieblingszahl: die Drei. Es heißt, dass es auf der Erde immerhin drei Dinge gibt, die aus dem Paradies geblieben sind: "le stelle, i fiori e i bambini" (die Sterne, die Blumen und die Kinder). Daran sollte man sich unbedingt erinnern, wenn man zwischen Juni und August im deutschen Nahverkehr unterwegs ist. Es könnte nämlich sehr voll werden.

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