Das erste Opfer hielt man zunächst für einen natürlichen Todesfall: Der 43-jährige Musiklehrer war eines Morgens im vergangenen Oktober nicht zur Arbeit erschienen, ein Bekannter fand ihn in seiner Wohnung im nordspanischen Bilbao, auf dem Sofa. Spuren von Gewalt gab es keine, auch die Obduktion ergab, dass der Mann vermutlich an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall gestorben sei. Seine Freunde wunderten sich, war der Mann doch sportlich und körperlich fit gewesen.
Dann stellte sein Bruder am Tag nach der Beerdigung fest, dass Geld vom Konto des Toten abgehoben wurde - nachdem dieser bereits gestorben war. Damit begannen die Ermittlungen, die die Beamten auf die Spur der mutmaßlich größten Mordserie an Homosexuellen in Spanien brachten. Von acht Morden geht die Polizei derzeit aus, doch die Zahl könnte noch ansteigen.
Als der Bruder des Verstorbenen der Polizei von den verdächtigen Kontobewegungen berichtete, wurden die Proben, die bei der Obduktion genommen worden waren, noch einmal untersucht. Und diesmal fanden die Ermittler, was ihnen zuvor entgangen war: Reste von Gamma-Hydroxybuttersäure, kurz GHB, einer Substanz, die als K.-o.-Tropfen oder Liquid Ecstasy bekannt ist. Die Substanz, die mitunter als Partydroge konsumiert wird, kann in höherer Dosierung zu Schläfrigkeit und bis zum Tod führen.
Bald stieß die Polizei auch auf einen Verdächtigen: Der Verstorbene hatte sich kurz vor seinem Tod auf einem Datingportal mit einem Mann verabredet und diesen zu sich nach Hause eingeladen. Dieser Mann, Mitte 20, nannte sich im Netz "Carlos". Wie er wirklich hieß, sollten die Ermittler erst einige Monate später erfahren.
Der Verdächtige hat sich der Polizei gestellt - bestreitet die Taten aber
Auf zunächst vier und inzwischen sieben ähnliche Mordfälle stieß die baskische Polizei in ihren folgenden Ermittlungen. Und die Suche geht noch weiter. Denn der Täter könnte auch in anderen Teilen Spaniens getötet haben. Auch in Madrid und Valencia gebe es Indizien, heißt es in Medienberichten. Es soll nun eine landesweite Ermittlungskommission gebildet werden, die womöglich noch deutlich mehr bislang unverdächtige Todesfälle derselben Mordserie zuordnen könnte.
Bei der Suche nach dem Täter ist man inzwischen hingegen deutlich weiter: Am Donnerstagabend stellte sich ein junger Mann der Polizei in der nordspanischen Grenzstadt Irun. Er habe sein Foto im Internet gesehen und gelesen, dass er gesucht werde. Er bestritt aber, etwas mit den Morden zu tun zu haben, und sagte, er wolle seine Hilfe in dem Fall anbieten.
Gegen seine Version spricht, dass das letzte Opfer entkommen war und den Angreifer bei der Polizei beschrieben hatte. Der Täter hatte in der Wohnung seines Opfers außerdem einen Rucksack mit Dokumenten und jener Substanz vergessen, die schon im ersten Mordfall aus dem vergangenen Oktober auf seine Spur geführt hatte. Der 25-jährige Kolumbianer, der seit drei Jahren als Asylbewerber in Spanien lebt, wurde festgenommen und wird nun von der Polizei befragt.
Die queere Community im Baskenland spricht angesichts der Mordserie an homosexuellen Männern von einer "Spitze des Eisbergs". Im vergangenen Jahr ereigneten sich allein im Baskenland 73 Verbrechen aus Hass auf die sexuelle Orientierung des Opfers, die meisten davon gegen homosexuelle Männer, wie ein Bericht der Universität des Baskenlandes darlegt. Angesichts dieser Zahlen könne man hier nicht von einem Einzelfall sprechen, sagte Óscar Arroyuelo von der LGBTI-Organisation Gehitu. Man fühle sich als Mitglied dieser Community nicht ausreichend geschützt.