SZ-Kolumne "Mitten in ...":Rubel-los am Strand

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Eine SZ-Redakteurin wird im Sri-Lanka-Urlaub Zeugin russischer Geldgeschäfte, weil Bankgeheimnis und Telefonbanking einfach nicht zusammenpassen. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Talalla

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Es ist der 2. März, der 64 Kilometer lange russische Militärkonvoi rollt weiter auf Kiew zu, im Süden Sri Lankas liegen russische Urlauber am Strand. Schon in den Tagen zuvor, an Wasserfällen und in Tempeln, ist man einigen begegnet und hat ihren Gesprächen das Wort "Ukraine" entnommen, der Rest war mangels Russischkenntnis leider nicht zu verstehen. Jetzt aber, in der schönen Bucht von Talalla, liegt einer mit mächtigem Bauch unter einer Palme und telefoniert. Auf Englisch und laut genug, dass die Luft Fetzen herüberträgt. "Money" ist mit Abstand das häufigste Wort, das zweithäufigste ist "Uruguay". Unklar bleibt, wessen Geld der Russe da gerade nach Südamerika transferiert. Klar ist: Da, wo es ist, kann es trotz Putins Ausfuhrverbot nicht bleiben. Fliehen aus der Ukraine die Menschen, flieht aus Russland das Kapital. Susanne Klein

Mitten in ... Hermanus

Illustration: Marc Herolc (Foto: N/A)

Der Voëlklip Beach in Südafrika ist ein Highlight. Absolut instagrammable. Diese Bucht! Die wilde Brandung! Wale sieht man keine um die Jahreszeit, dafür ein Ehepaar aus Spanien, das aufs Meer zusteuert. Die junge Frau, Handy in der hochgereckten Hand, checkt Licht, Perspektive und Position für das ultimative Selfie. Dazu kommt es aber nicht. Was kommt, ist eine 16 Grad kalte Atlantik-Welle, die ihr offenbar etwas Wertvolles aus der Hand reißt. Denn sie ruft pausenlos "perdóname, perdóname!" und hält sich die Hände vors Gesicht, während er ungläubig auf sie einredet. Wie sich herausstellt, war es der Ehering. Sein Ehering. Er wollte schwimmen und hielt es für sicherer, ihn seiner Frau zu übergeben. Der Rest ist Suche, Verzweiflung, Vorwürfe. Am Ende dann: eine Umarmung. Die Liebe, sie muss schließlich auch ringlos funktionieren. Violetta Simon

Mitten in ... München

Illustration: Marc Herolc (Foto: N/A)

Montagmorgen, Hauptbahnhof München. Rollkoffer rattern, Müllwagen umkurven Passanten, maskierte Menschen starren auf Displays und lesen Nachrichten, die sie erschöpfen. Sie nippen an zu heißem Kaffee, reißen lustlos Brezenstücke ab, warten auf ihren Zug, der sie nach Ingolstadt, Frankfurt, Amsterdam bringt. Ein lautes Räuspern ist zu hören, ah, jetzt kommt eine Durchsage: "Auf Gleis 9 fährt ein ... Vorsicht bei der Einfahrt!" Dann knackt es. Kurze Stille. Noch ein Knacken. Ein paar genuschelte Worte sind aus dem Lautsprecher zu vernehmen. An wen waren die jetzt gerichtet? Die ersten Köpfe lösen sich neugierig von den mobilen Endgeräten. Und dann ist es zu hören: ein schallendes Lachen, aus vollem Herzen. Ein Ansager hat vergessen, sein Mikrofon auszumachen. Sehr viele scheinen plötzlich unter ihren Masken zu lächeln. Mareen Linnartz

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