SZ-Kolumne "Mitten in ...":Lass schmelzen!

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Ein SZ-Redakteur will am sonnigen Bahnhof eigentlich nur die Schokolade in der Reisetasche retten. Aber dann ertönt eine rätselhafte Durchsage. Drei Anekdoten aus aller Welt.

Mitten in ... Singen

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Die Geschichte hat mit dem Bahnstreik und mit Schweizer Schokolade zu tun. Der Bahnstreik sorgt bekanntlich für "Verzögerungen im Betriebsablauf", was in diesem Fall bedeutet, dass die Bahn-Webseite für 10.18 Uhr einen Zug versprochen hat, die Wirklichkeit aber anders aussieht. So sitzt man in Singen auf Bahnsteig 1, schon um 13.07 Uhr soll ja der nächste Zug kommen. Die strahlende Sonne ist zugleich schön wie gefährlich, für die Schokolade nämlich, die in der braunen Reisetasche steckt. Also Tasche ein paar Meter entfernt in den Schatten stellen. Prompt eine Durchsage: Der Besitzer der braunen Reisetasche möge sie sofort an sich nehmen, ansonsten ... Später klärt der Bahnhofsvorsteher auf: Ein Zeuge habe berichtet, ein arabisch aussehender Mann habe die Tasche abgestellt und sich schnell entfernt. Der Bahnstreik sorgt offenbar auch für Halluzinationen. Philipp Selldorf

Mitten in ... Chiba

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Ob das Pressezentrum bei den Paralympics in der Makuhari-Messe zu früh zumachte oder der Artikel zu spät fertig war, ist eine Frage der Perspektive. Tatsache ist, dass ich rausmusste, obwohl das Tagwerk noch nicht beendet war. Fortgesetzt wurde die Arbeit nach kurzer Nachtwanderung auf der Stufe vor einem Coffeeshop, der auch nach Betriebsschluss noch ein Signal für kabelloses Internet ausstrahlte. Der Sitzplatz war nicht bequem, aber es ging. Und wie immer in Japan war der Ort auf eine fast sterile Art besenrein. Plötzlich kroch linker Hand eine Kakerlake aus dem Gebüsch und blieb mit etwas Abstand stehen. Rechter Hand kroch eine zweite Kakerlake aus dem Gebüsch und blieb ebenfalls mit etwas Abstand stehen. Zwei zähnefletschende Monster, jeweils nur drei Zentimeter groß, aber ich fühlte mich trotzdem umzingelt. Der Artikel wurde erstaunlich schnell fertig. Thomas Hahn

Mitten in ... Berlin

Illustration: Marc Herold (Foto: N/A)

Das Licht ist so intensiv hier, die Körper der Menschen sind so trainiert, ihre Badekleidung ist so schön bunt. Im Strandbad Berlin-Plötzensee wird ein Film gedreht, bei laufendem Betrieb. Das bedeutet auch: Die Eisdiele ist heute Filmset, für Nicht-Schauspieler unerreichbar. Der Dreijährige fängt deshalb an zu schreien, als wäre er für einen Horrorfilm gecastet. Irgendwann springt ein Mann über das Absperrband, in der Hand einen Becher. "Ick muss für den Film den Ton angeln", sagt er mit rauer Stimme und dem Blick eines Berghain-Türstehers. "Dit kann ich nich, wenn du so laut bist. Ick geb dir jetzt ein Eis. Aber wenn du nicht ruhig bist, komm ick ohne wieder." Der Dreijährige löffelt nun zufrieden und leise, Erwachsene rundum fragen sich: Die Bar ist doch ebenfalls gesperrt - ob der Trick wohl auch mit Bier funktioniert? Moritz Baumstieger

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