Missbrauch in der katholischen Kirche:Bischof outet Betroffene

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Stephan Ackermann ist seit 2009 Bischof von Trier, ein Jahr später wurde er zum Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz ernannt. (Foto: Harald Tittel/dpa)

Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, lüftet vor Mitarbeitern seines Bistums das Pseudonym einer Betroffenen - gegen ihren Willen.

Von Annette Zoch

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat offenbar in einer Besprechung mit Bistumsmitarbeitern den Klarnamen einer Frau genannt, die Opfer sexualisierter Gewalt durch einen Priester geworden und bis dahin nur unter Pseudonym bekannt war. Das berichtet der Trierische Volksfreund. Ackermann unterschrieb deshalb eine Unterlassungserklärung, bestätigte der Rechtsanwalt der Betroffenen, Oliver Stegmann, der Süddeutschen Zeitung. Nennt Ackermann noch einmal den Klarnamen der Frau, droht ihm eine Geldstrafe. Besonders heikel: Die Betroffene ist beim Bistum Trier angestellt und wurde offenbar vor etwa 40 Kolleginnen und Kollegen gegen ihren Willen geoutet. Das Bistum Trier und Bischof Ackermann wollten sich auf Anfrage der SZ nicht zu dem Vorfall äußern.

In der Öffentlichkeit nutzt die Frau das Pseudonym Karin Weißenfels - zum ersten Mal in dem vom Katholischen Deutschen Frauenbund KDFB herausgegebenen Buch "Erzählen als Widerstand", in dem sie über ihren Leidensweg berichtet. Dieser beginnt, als Weißenfels ihre erste Stelle bei einer Gemeinde antritt. Auf einer Sommerfreizeit beginnt ihr Vorgesetzter, ein 20 Jahre älterer Priester, sie sexuell zu bedrängen. Sie ist verwirrt und beschämt, aber lässt es geschehen, sie ist sexuell unerfahren und steht in einem beruflichen und bald auch emotionalen Abhängigkeitsverhältnis. Nach einiger Zeit wird sie von dem Priester schwanger - und der bedrängt sie, das Kind abtreiben zu lassen. Auch ihr Beichtvater, ein Freund des Priesters, drängt sie zu diesem Schritt, obwohl sie das Kind bekommen will.

Schon Ende der 1990er, so berichtete der Deutschlandfunk, vertraut sich Karin Weißenfels erstmals der Trierer Bistumsleitung an. Doch es geschieht lange nichts. Der damalige Trierer Bischof Reinhard Marx verbietet den beiden Priestern schließlich wegen "Beihilfe zur Abtreibung", Messen zu halten und Sakramente zu spenden, wogegen beide in Rom erfolgreich intervenieren. Beide Priester sind inzwischen gestorben.

"Inakzeptable Grenzüberschreitung"

Nachdem der Spiegel im Dezember 2021 eine Titelgeschichte über Missbrauchsfälle im Bistum Trier veröffentlicht, lädt Bischof Ackermann Anfang März alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bistums zu einer digitalen Anhörung. In der ersten Sitzung soll Ackermann dann, so der Trierische Volksfreund unter Berufung auf Teilnehmende und Gesprächsprotokolle, den echten Namen von Karin Weißenfels enthüllt haben. Seine Begründung soll viele Zuhörer entsetzt haben: Wenn jetzt schon offen über Namen gesprochen werde, dann nenne er auch den Namen der beteiligten Person, soll Ackermann gesagt haben. Zudem sei Weißenfels' bürgerlicher Name vielen Menschen im Bistum bekannt.

Dies ist insofern bemerkenswert, als es sich bei Stephan Ackermann ausgerechnet um den Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz handelt. Er müsste also besser wissen, wie man sensibel mit Betroffenen umgeht. "Frau Weißenfels kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass das ihr angetane Unrecht aufgearbeitet wird", sagt ihr Rechtsanwalt. "Die Verantwortlichen des Bistums haben offenbar bis heute nicht wirklich verinnerlicht, was ihr angetan wurde. Dass der Bischof mit ihrem Pseudonym nicht ordentlich umgeht, ist eine inakzeptable Grenzüberschreitung."

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