SZ-Kolumne "Bester Dinge":Der letzte Schrein

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Eigenwilliges Interior Design: "Ron's Place" nahe Liverpool. (Foto: The Historic England Archive)

Ein Eigenbrötler hat seine Wohnung nahe Liverpool so kunstvoll umgestaltet, dass das Haus jetzt als denkmalwürdig gilt.

Von Alexander Menden

In England stehen sehr viele Gebäude unter Denkmalschutz, und wer dabei nur an normannische Burgen oder Townhouses aus dem 18. Jahrhundert denkt, hat das riesige Spektrum erhaltenswerter Bauten im Land noch nicht erfasst. Da ist zum Beispiel der alte Busbahnhof von Milton Keynes, ein langgestreckter Betonpavillon aus den frühen 1980er-Jahren, dem als "auffallend einfaches Gebäude von erstaunlicher Qualität" der Status als "Listed Building" zuerkannt wurde. Das 1934 errichtete, ehemalige Pinguin-Gehege des Londoner Zoos, für Pinguine übrigens völlig ungeeignet, erhielt dieselbe Auszeichnung als "Schlüsselsymbol der Architektur der britischen Moderne". Eine Tankstelle aus den Sechzigern in Birstall, Leicestershire, wiederum war aufgrund einer Reihe pilzförmiger Überdachungen denkmalwürdig.

Deshalb sollte man sich freuen, aber nicht wundern, dass jetzt eine kleine Mietwohnung in der Nähe von Liverpool ebenfalls in diesen erlauchten Kreis aufgenommen worden ist. Ron Gittins, der wohl exzentrischste Bewohner von Birkenhead, hatte hier sein Zuhause. Draußen lief er gern mit Perücke und Kinderwagen herum. Drinnen gestaltete er das Erdgeschoss eines unscheinbaren Backstein-Reihenhauses zu einem fantastischen Schrein um: Der Flur erinnert an ein ägyptisches Grab, die Wände des Wohnzimmers bedecken römische Fresken, in der Küche steht eine Art römischer Altar. Die Kamine sind von riesigen Löwen- und Stierköpfen aus Beton umrahmt, die Gittins, wie alle anderen Kunstwerke in dieser Wohnung, selbst anfertigte.

Das Badezimmer erinnert an ein Aquarium. (Foto: Historic England Archive)

Nach Gittins' Tod im Jahr 2019 wollte der Besitzer das Haus verkaufen und die Kunstwerke entsorgen. Doch eine Initiative um den Filmregisseur Martin Wallace schaffte es mithilfe eines anonymen Spenders, es zu erwerben und das Gesamtkunstwerk im Erdgeschoss zu retten. Jetzt ist Ron Gittins' Wohnung ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt worden, als herausragendes Beispiel für "großformatige Outsider Art". Ihr Onkel habe es als "Auftrag empfunden, etwas zu erschaffen", so Gittins' Nichte Jan im Gespräch mit dem Guardian. Und was er schuf, stellt in jedem Fall auch die schickste Tankstelle in den Schatten.

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