Kriminalität:Report: "Du wirst in unseren Herzen bleiben"

Wächtersbach (dpa) - Der Tag des Abschieds von Tugce Albayrak beginnt in einem schmucklosen Gewerbegebiet von Wächtersbach. Dort liegt neben einer Holzwerkstatt und Bahngleisen das gelbe Moschee-Gebäude des Türkisch-Islamischen Kulturvereins.

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Wächtersbach (dpa) - Der Tag des Abschieds von Tugce Albayrak beginnt in einem schmucklosen Gewerbegebiet von Wächtersbach. Dort liegt neben einer Holzwerkstatt und Bahngleisen das gelbe Moschee-Gebäude des Türkisch-Islamischen Kulturvereins.

Am Himmel über Hessen hängen graue Wolken, kein Sonnenstrahl dringt durch, es ist eiskalt. Nach dem Mittagsgebet bahren Helfer auf dem Moschee-Vorplatz den dunkelbraunen, geschmückten Sarg mit dem Leichnam der Lehramtsstudentin auf. Viele der Trauergäste weinen, als ein Gebet für Tugce gesprochen wird. Sie war nach einer Prügelattacke in Offenbach ins Koma gefallen und daraus nicht mehr erwacht.

Unter den Trauergästen sind auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu. Auch sie erweisen Tugce die letzte Ehre und stehen beim Totengebet in der ersten Reihe. Nach der Zeremonie, die in deutscher und türkischer Sprache gehalten wird, wird der Sarg zum Friedhof ihrer Geburtsstadt Bad Soden-Salmünster gebracht. Dort wird der Leichnam am Nachmittag nach muslimischem Ritus beigesetzt.

Noch bevor sich Hunderte Trauernde vor der Moschee drängen, liegen bereits einige Blumengebinde auf Tischen vor dem Gebäude, mit denen die Menschen ihre Anteilnahme und Trauer ausdrücken. Ein Gesteck aus rosa und weißen Rosen trägt ein Band mit der Aufschrift: "Es hätte auch meine Tochter sein können". An einem anderen steht: "Unser Engel, Du wirst immer in unseren Herzen bleiben."

Die tragische Geschichte der Lehramtsstudentin hat bundesweit die Menschen bewegt, viele drücken Entsetzen und Trauer im Internet aus. Egi Deidda (42) und ihre Tochter Alicia (14) sind aus dem nahen Maintal zur Trauerfeier nach Wächtersbach gekommen. "Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie. Ich hätte wahrscheinlich wie viele andere weggeschaut", sagt die Mutter über Tugce. Ihre Tochter Alicia kannte Tugce, wie so viele, die zur Moschee gekommen sind, nicht persönlich. Doch mit ihrer Teilnahme wollen sie der jungen Frau ihren Respekt darbringen. Insgesamt kommen am Mittwoch rund 1500 Menschen.

Tugce war nach bisherigen Erkenntnissen in einem Schnellrestaurant zwei Mädchen zu Hilfe gekommen, die von Männern belästigt worden sein sollen. Darunter auch der 18-Jährige, der später auf dem Parkplatz zugeschlagen haben soll. Er sitzt seither in Untersuchungshaft. Noch ist unklar, ob der Schlag oder Tugces Sturz, bei dem sie mit ihrem Kopf heftig auf den Boden prallte, die letztlich tödlichen Verletzungen verursacht haben.

Schon am vergangenen Freitag war es vor der Klinik in Offenbach, in der die Studentin behandelt wurde, zu bewegenden Szenen gekommen. Es war Tugces 23. Geburtstag. Am Abend, als die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt wurden, harrten rund 1500 Menschen vor dem Krankenhaus aus. Auf einem Klavier spielte ein Musiker die Lieblingsstücke von Tugce.

Auch die Atmosphäre vor der Moschee ist am Mittag bedrückend. Tiefe Betroffenheit spiegelt sich in den Gesichtern der Menschen. Cevdet Akbulut sagt: "Es ist traurig. Da will ein Mensch helfen und wird selbst Opfer." Ein paar Meter weiter steht Erdogan Kaynar und kämpft mit den Tränen: "Es schmerzt so sehr in unseren Herzen."

An ihm vorbei kommen Mädchen, die ein auf Papier kopiertes Foto-Motiv zum Anstecken an die Jacke verteilen. Darauf zu sehen ist die junge Frau die mit ihrem Lächeln so viele Menschen berührt hat. Darunter steht ihr Geburtsdatum (28.11.1991) und das mathematische Unendlichzeichen. Die Aussage ist eindeutig: Tugce soll für ewig in Erinnerung bleiben.

In Bussen werden die Trauergäste nach dem Gebet von der Moschee zu dem kleinen Friedhof gebracht. Zutritt haben nur sie. Journalisten filmen und fotografieren von der anderen Straßenseite und halten Abstand. Nach der Beisetzung verlassen die Menschen nach und nach den Friedhof. Alexander Bär (43), ein Freund der Familie, sagt: "Es ist für alle schwer zu verarbeiten." Trauergast Helmut Jockel sagt: "Alle leiden mit der Familie."

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