Kriminalität:Fragen und Antworten: Die Sicherheitsbehörden und der Terror

Berlin (dpa) - Es gibt viele Schlupflöcher. Nach dem, was bisher bekannt ist, war der Attentäter von Kopenhagen kein Einzeltäter, der aus dem Nichts kam.

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Berlin (dpa) - Es gibt viele Schlupflöcher. Nach dem, was bisher bekannt ist, war der Attentäter von Kopenhagen kein Einzeltäter, der aus dem Nichts kam.

Der junge Mann, der am Wochenende den Terror in die dänische Hauptstadt brachte, war der Polizei vorher schon aufgefallen und kam gerade erst aus dem Gefängnis - und er hatte wohl Unterstützer. Auch den Sicherheitsbehörden in Deutschland gibt das zu denken.

Wie groß ist die Gefahr eines Anschlags hierzulande?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), Nachrichtendienste und Polizei betonen, dass auch ein Attentat in Deutschland nie ganz auszuschließen ist. Sorgen machen sie sich vor allem über Einzeltäter, die sich im Stillen radikalisieren und bis zu einem Anschlag gar nicht auffallen. Ein solcher Fall war Arid Uka, der im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschoss und zwei weitere schwer verletzte. Es war der bislang einzige islamistische Anschlag auf deutschem Boden. Andere Versuche wurden vereitelt. Uka war kein Mitglied einer Terrorgruppe, sondern allein. Er hatte sich seinen Hass auf die westliche Ordnung im Internet einflüstern lassen.

Und wie ist es mit der Bedrohung durch polizeibekannte Extremisten?

Die Anschläge in Kopenhagen und zuvor schon in Paris zeigen, dass dies ebenfalls eine große Gefahr ist. In beiden Fällen waren die mutmaßlichen Täter keine Unbekannten für die Polizei. Die Attentäter von Paris waren fest in der islamistischen Szene verankert, galten als gewaltbereit, mindestens einer hatte sich im Ausland in einem Terrorcamp ausbilden lassen - und trotzdem konnten sie ein Blutbad anrichten. Auch Polizei und Nachrichtendienste in Deutschland räumen ein, sie könnten nicht alle gefährlichen Islamisten rund um die Uhr überwachen. Dafür fehle das Personal. Eine Herausforderung sei es auch, "Alt-Dschihadisten", die nach aktiven Zeiten später kaum noch in Erscheinung träten, über Jahre genau im Blick zu behalten.

Gibt es auch Leute, die komplett durchs Raster fallen, obwohl sie in der Szene aktiv sind?

Ja. Im vergangenen Herbst etwa durchsuchten hessische Ermittler die Wohnung eines jungen Mannes - eigentlich wegen eines Drogendeliktes. Doch die Fahnder fanden Waffen, Munition, eine schusssichere Weste und ein Kapuzenshirt mit dem Symbol der Terrormiliz Islamischer Staat. Die Behörden hatten vorher nicht gewusst, dass der Mann ein Dschihadist war, der gerade erst aus Syrien heimgekehrt war.

Wie gefährlich ist die deutsche Islamisten-Szene?

Die Zahl der islamistischen "Gefährder" ist mit rund 270 so hoch wie nie zuvor. Das sind Menschen, denen die Polizei grundsätzlich einen Terrorakt zutraut. Die Zahl der Ausreisen in die Kampfgebiete in Syrien und im Irak wächst stetig - und damit auch die Zahl der radikalisierten oder kampferprobten Rückkehrer. Sie werden intensiv beobachtet, in den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Festnahmen und Durchsuchungen. Beim Bundeskriminalamt (BKA) und der Bundesanwaltschaft sind die Ermittlungsverfahren gegen Islamisten in die Höhe geschnellt. Allein beim BKA sind es rund 500.

Was bedeutet das für die Sicherheitsbehörden?

Polizei, Verfassungsschutz und Justiz beklagen, sie hätten allmählich ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Die Chefs von Verfassungsschutz und BKA, Hans-Georg Maaßen und Holger Münch, sagten kürzlich, angesichts dieser Aufgaben könnten andere Bereiche nicht mehr so intensiv beobachtet werden. Die Bedrohung durch islamistischen Terror binde enorm viele Kräfte, die an anderer Stelle fehlten. Ohne zusätzliches Personal seien sie gezwungen, Prioritäten zu setzen.

Gibt es Aussicht auf mehr Personal für Polizei und Geheimdienste?

De Maizière hat nach den Anschlägen von Paris prüfen lassen, wie die deutschen Sicherheitsbehörden aufgestellt sind. Er hat vorsichtig ein Plus an Personal und Ausstattung in Aussicht gestellt und verhandelt darüber derzeit mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Details nennt er nicht. Kurzfristig ist aber keine Aufstockung in Sicht. Aus dem Innenressort heißt es, derzeit seien die Behörden hinreichend ausgestattet, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

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