Hannover:Neue Barockorgel für Kirche: Orgelbauer fehlen

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Orgelbau und Orgelmusik zählen zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit - Orgel-Neubauten sind dennoch keineswegs selbstverständlich: Trotz allem hat die...

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Hannover (dpa/lni) - Orgelbau und Orgelmusik zählen zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit - Orgel-Neubauten sind dennoch keineswegs selbstverständlich: Trotz allem hat die Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis in Hannover eine rund 1,3 Millionen Euro teure neue Barockorgel erhalten. Das sei „mit Sicherheit besonders“, sagte Jürgen Lutz, Vorsitzender des Bundes deutscher Orgelbaumeister, der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der Neubauten sei in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Die neue Orgel wird vom 26. Oktober bis zum 3. November feierlich eingeweiht. Niedersachsen feiert in diesem Jahr zum 300. Todestag des berühmten Orgelbauers Arp Schnitger (1648-1719) die Orgelkultur.

Erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird die neue Orgel mit 50 Registern und drei Manualen mit einem Eröffnungskonzert von Emmanuel Le Divellec am 26. Oktober, wie die Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover mitteilte. Le Divellec ist Professor für Kirchenmusik an der Hochschule.

Das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur unterstützt den Bau der Orgel aus der Werkstatt des belgischen Orgelbauers Dominique Thomas den Angaben zufolge mit 1,2 Millionen Euro. Die Landeskirche Hannover beteiligt sich mit 76 000 Euro. Die alte Orgel, die bis vor einigen Jahren auf der Westempore stand, wurde verkauft. Das Besondere an einer Barockorgel aus der Sicht des Experten Lutz: große Transparenz und Klangvielfalt.

Für die kirchenmusikalische Ausbildung kooperierten die Musikhochschule und die Hof- und Stadtkirche seit mehreren Jahren, teilte eine Sprecherin mit. Der Clou: Hochschule und Kirche schlossen einen Nutzungsvertrag über eine Laufzeit von 30 Jahren. Die Hochschule kann für mindestens 40 Stunden pro Woche die neue Orgel auf der Westempore nutzen - wichtig für den Organisten-Nachwuchs.

Denn der sei rar, erklärte Lutz. „Der Organisten-Nachwuchs fehlt.“ Häufig versähen Organisten der Altersgruppe 80 plus noch immer den Dienst. Auch lasse der Kirchenbesuch nach, so dass viele Gemeinden davon ausgingen, die Investition in eine neue Orgel lohne sich nicht. Und auch den Orgelbauern selber fehle der Nachwuchs - mit dem Wegfall der Meisterpflicht 2004 habe es eine „Flut von Neugründungen“ unter den Orgelbauern gegeben, Aufträge gingen an den jeweils günstigsten Anbieter und die Preisentwicklung sei stehengeblieben. Das schlage sich auch bei der Ausbildungsvergütung nieder. Bundesweit habe es im vergangenen Jahr 50 Auszubildende gegeben - bei rund 440 Betrieben.

Der größte Teil der Orgelbauer lebe heute von Instandsetzungen und Restaurierungen, erklärte Orgelbaumeister Lutz. „Es gibt schon Neubauten, aber nicht mehr so viele wie vor einigen Jahren.“ Außer in China, ein Land, auf das eine Reihe von Orgelbauern setze: „Die Konzerthäuser schießen dort wie Pilze aus dem Boden.“

Immerhin: Schon Ende 2017 hatte Niedersachsens Wissenschafts- und Kulturminister Björn Thümler (CDU) angekündigt, die herausragenden und prägenden Orgeln Niedersachsens spiel- und damit erlebbar erhalten zu wollen. Und zum 300. Todestag Arp Schnitgers sagte er, es gehe auch darum, die Menschen, die sich für die Orgelkultur einsetzen, ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

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