Dresden:Drachentöter und Sphinx: Besonderer Diebstahl auf Friedhof

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Ein Grabstelle mit einem sitzenden Engel auf dem 1875 angelegten Johannisfriedhof. (Foto: Matthias Hiekel/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild)

Die Dresdner Polizei geht seit einer Woche einem ungewöhnlichen Fall nach. Vom evangelischen Johannisfriedhof im Osten der Landeshauptstadt wurden vor dem...

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Dresden (dpa/sn) - Die Dresdner Polizei geht seit einer Woche einem ungewöhnlichen Fall nach. Vom evangelischen Johannisfriedhof im Osten der Landeshauptstadt wurden vor dem Totensonntag mehrere Kunstobjekte gestohlen. Betroffen sind fünf Grabstellen. „Buntmetalldiebstähle gibt es immer wieder, aber das ist ein seltenes Phänomen“, sagt ein Polizeisprecher. „Alles schwere Teile, die trägt man nicht einfach weg.“ Ermittelt wird wegen besonders schweren Diebstahls, die Täter sind unbekannt.

„Wir gehen davon aus, dass sie es nicht auf das Material abgesehen haben“, sagt Friedhofsverwalterin Beatrice Teichmann. Sie spricht von Kunst- oder Auftragsdiebstahl. Tatsächlich fehlen ausschließlich Objekte, die auf Militärs oder Gefallene des Ersten Weltkrieges verweisen: das Bronzerelief mit Helm samt Schwert vom Grabmal eines Majors, zwei je 2,15 Meter große Bronze-Relieffiguren des Bildhauers August Schreitmüller von der letzten Ruhestätte eines Leutnants, eine Bronze-Sphinx, ein Drachentöter-Relief und eine Grabplatte.

„Das sind Sammlerstücke, die gesucht werden“, sagte Teichmann. Die Diebe seien vorsichtig bei der Entfernung des Schmucks, es gebe kaum Schäden an den Grabstätten selbst, was auch gegen eine Tat nur um des Materials willen spreche. Sie geht davon aus, dass die unbekannten Täter Käufer für die gestohlenen Objekte in der Hinterhand hatten. Es sei „eine zielgerichtete Sache“ gewesen. Im Publikumsverkehr am Totensonntag falle es auch nicht auf, wenn ein Transporter „in aller Öffentlichkeit“ auf den Friedhof fährt und Dinge abmontiert werden, „wie von Restauratoren“. Es gebe entsprechende Zeugenaussagen, sagte Teichmann.

„Das hat eine neue Qualität“, sagt Holger Enke, Referent für Friedhofsangelegenheiten der evangelischen Landeskirche. Buntmetalldiebstähle gebe es, abhängig vom Preis, immer wieder, und Friedhöfe seien ja öffentliche Orte, keine Museen. Die Landeskirche verwaltet rund 1200 der insgesamt etwa 1750 Friedhöfe in Sachsen. Träger sind Kirchgemeinden. Etwa 400 sind in kommunaler Trägerschaft, dazu kommen einige katholische und jüdische Friedhöfe.

Auch das Landesamt für Denkmalpflege geht davon aus, dass es weder Buntmetalldiebe waren noch Vandalismus. „Bronzediebstähle kommen auch auf anderen Friedhöfen vor, in diesem Ausmaß ist das eher ein Einzelfall“, sagte eine Sprecherin. Laut Kriminalstatistik ist die Zahl der Diebstähle auf Friedhöfen relativ konstant. Für 2017 stehen 203 zu Buche, 2018 waren es 235 und im vergangenen Jahr 185 - die meisten blieben unaufgeklärt.

Der Südfriedhof in Leipzig behilft sich mit Kunststoffkopien gefährdeter Skulpturen. „Die Originale sind sicher verwahrt“, sagte die Sprecherin des Landesamtes für Denkmalpflege. Anderswo werde geprüft, ob Daten mittels 3D-Scanns präventiv gesichert werden können und im Ernstfall das Verlorene dann auf dieser Grundlage rekonstruiert werden kann.

Die beiden Friedhöfe des Bistums Görlitz blieben nach einem größeren Buntmetalldiebstahl in Wittichenau verschont. „Der Täter wurde gefasst, ersetzte den Schaden und musste zusätzlich Sozialstunden auf dem Friedhof leisten“, sagte ein Sprecher. Die 15 Anlagen des Bistums Dresden-Meißen, vor allem in der Oberlausitz und in Ostsachsen, werden mit Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen. Pro Jahr werden vier bis fünf Diebstähle von Grabschmuck gemeldet. Dabei handelt es sich nach Angaben des Ordinariats meist um „Wellen“.

Auf dem Dresdner Johannisfriedhof war zunächst am Totensonntag ein verwaistes Grabmal aufgefallen. Das ganze Ausmaß wurde dann nach und nach bei der Begutachtung des Gesamtgeländes entdeckt. Wie hoch der Verlust ist, steht noch nicht fest. „Es geht ja mehr um den ideellen als den materiellen Wert“, sagt ein Sprecher des Landeskirchenamtes. Nach Einschätzung der Polizei brauchte es für die Entnahme und den Abtransport schweres Gerät und Gefährt: das Drachentöter-Relief befand sich über Kopf an einem Grabmal - und die Relieffiguren wiegen 80 bis 100 Kilo.

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