Polizei erschießt Häftling:Tod im Gefängnis

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Einsatzkräfte unterhalten sich nach einer beendeten Geiselnahme in Münster. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

In der JVA Münster hat ein Häftling eine Auszubildende als Geisel genommen. Kurz bevor er entlassen worden wäre. Nun stellt sich die Frage, wie er zu seiner selbstgebauten Waffe kam.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Drei Stunden lang war eine junge Frau in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Münster am Freitagmorgen in der Gewalt eines Häftlings - dann griff die Polizei ein und erschoss den Geiselnehmer. Die Beamten waren gegen 6.20 Uhr alarmiert worden. Sie waren mit einem Großaufgebot im Einsatz, auch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) war vor Ort. Um 9.49 Uhr meldete die Polizei schließlich Entwarnung: Die Gefängnisangestellte sei unverletzt, der Täter bei der Befreiungsaktion jedoch ums Leben gekommen.

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Der Mann soll die 29-jährige Auszubildende bei der morgendlichen Öffnung der Zellen in seine Gewalt gebracht haben. Er soll, so erklärte die Polizei, sein Opfer "mit einem aus einer Rasierklinge gefertigten gefährlichen Gegenstand" bedroht haben. Er habe gefordert, mit einem Hubschrauber aus der JVA gebracht zu werden.

Trotz mehrfacher Versuche, mit dem Geiselnehmer ins Gespräch zu kommen, habe dieser der jungen Frau seine selbstgebaute Waffe wiederholt an den Hals gesetzt und angekündigt, sie zu töten. Dabei habe der Täter "einen psychisch unberechenbaren Eindruck" gemacht. Spezialeinheiten der Polizei hätten deshalb gegen 9.20 Uhr eingegriffen und geschossen. Der Mann erlag noch in der JVA seinen Verletzungen, die Geisel erlitt leichte Verletzungen am Hals.

Man kümmere sich nun intensiv um die Frau, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Gleichzeitig drückte er sein Beileid für den Häftling aus, der von der Polizei erschossen wurde: "Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen." Bei dem Geiselnehmer handelte es sich um einen 40-jährigen Häftling. Laut Polizei wäre der Mann am 10. November entlassen worden. Umso unverständlicher sei die Geiselnahme, sagte der Ministeriumssprecher. Aus Kreisen der Ermittler hieß es am Freitag, der Mann sei möglicherweise psychisch auffällig gewesen.

Die Staatsanwaltschaft Münster bestätigte der SZ, dass der Geiselnehmer "wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte" zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Der mutmaßliche Täter hatte am 4. September 2019 auf dem Gelände einer psychiatrischen Klinik laut randaliert. Als die Polizei den Mann vom Klinikgelände verweisen wollte, soll dieser sich gewehrt und bei der anschließenden Festnahme versucht haben, die Beamten mit Füßen zu treten. Unklar blieb zunächst, ob der Mann jemals Patient in der Klinik war - zum Zeitpunkt des Vorfalls war der offenbar alkoholabhängige 40-Jährige in einer Unterkunft für Wohnungslose registriert.

Die Geiselnahme löste am Freitag bereits ein politisches Echo in der Landeshauptstadt Düsseldorf aus. Die oppositionelle SPD-Landtagsabgeordnete Sonja Bongers warf NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) vor, dieser sei "völlig abgetaucht" und habe weder Parlament noch Öffentlichkeit über den Vorfall informiert. Bongers verlangte Auskunft, ob der Mann psychisch krank gewesen sei. Falls ja, so die Abgeordnete weiter, stelle sich allerdings "die Frage, warum er Rasierklingen ausgehändigt bekommen hat".

Die Justizvollzugsanstalt Münster liegt mitten in der Stadt. Wegen des Einsatzes war am Freitag auch der Straßenverkehr im Umfeld gestört. Das Gefängnis in Münster ist nur noch zum Teil mit Gefangenen belegt. Seit Jahren ist ein Neubau im Osten der Stadt geplant. Der Bau soll 2025 bezogen werden. Ein Polizeisprecher nannte es "reine Spekulation", dass der Zustand des veralteten Gebäudes die Geiselnahme erleichtert haben könnte.

© SZ/dpa/afis/mpu/cwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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