Hannover:Ministerin will flexiblere Unterbrechungsregeln

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Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza spricht während eines Interviews. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild)

Um Strafprozesse bei Naturkatastrophen oder Seuchenlagen leichter unterbrechen zu können, setzt sich Niedersachsen für eine flexiblere Strafprozessordnung ein....

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Hannover (dpa/lni) - Um Strafprozesse bei Naturkatastrophen oder Seuchenlagen leichter unterbrechen zu können, setzt sich Niedersachsen für eine flexiblere Strafprozessordnung ein. Das Land kündigte am Montag eine Bundesratsinitiative an, um in solchen Fällen höherer Gewalt bislang geltende Unterbrechungsfristen zu verändern, teilte das Justizministerium in Hannover mit. „Die Strafprozessordnung ist auf diese Unsicherheiten nicht eingestellt. Wir brauchen deshalb eine neue, dauerhaft geltende Regelung im Prozessrecht“, sagte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU).

Die Strafprozessordnung erlaube nur eine vergleichsweise kurze Unterbrechung einer Hauptverhandlung von drei Wochen bis zu einem Monat bei Erkrankung oder Mutterschutz, nicht aber aufgrund von Quarantäne-Anordnungen oder höherer Gewalt, hieß. Wegen der Corona-Pandemie hatte der Gesetzgeber im März 2020 eine Vorschrift erlassen, dass Gerichtsprozesse wegen Infektionsschutzmaßnahmen länger als üblich unterbrochen werden dürfen. Diese Regelung lief zum 30. Juni 2022 ab. Nach jetzigem Stand soll die Vorschrift erst mit dem Corona-Maßnahmepaket im Herbst 2022 wieder in Kraft gesetzt werden. Mehrere Bundesländer - darunter Niedersachsen - halten das für zu spät.

Wenn die bestehenden Unterbrechungsfristen nur um einen Tag versäumt werden, muss die komplette Verhandlung neu begonnen werden. Das sei nicht nur für die Gerichte frustrierend und die Opfer belastend, sondern koste auch viel Geld, sagte Havliza. Angesichts der wieder steigenden Infektionszahlen fordern die Justizminister von Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein bereits sofort eine Nachfolgeregelung.

Die Justizsenatorinnen von Bremen und Hamburg, Claudia Schilling (SPD) und Anna Gallina (Bündnis 90/Grüne), wiesen auf die Eilbedürftigkeit hin. Bis zu einer Neuregelung im Herbst gehe wertvolle Zeit verloren, betonte Schilling: „Allein am Landgericht Bremen drohen inzwischen drei Verfahren - zwei davon aus dem Themenbereich Encrochat - zu platzen, weil die Höchstdauer der in der Strafprozessordnung vorgesehenen Unterbrechung aufgrund coronabedingter Quarantäne einzelner Verfahrensbeteiligter nicht mehr eingehalten werden kann“, sagte die Politikerin. Über den verschlüsselten Messengerdienst Encrochat wurden Drogengeschäfte in großem Stil abgewickelt.

Gallina erklärte, dass die Regelung zu den Unterbrechungsfristen für eine funktionierende Justiz sofort wieder in Kraft gesetzt werden müsse. Sie habe sich in der Praxis bewährt.

© dpa-infocom, dpa:220808-99-317440/3

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