Justiz - Dessau-Roßlau:Feuer-Tod von Jalloh: Initiative mit neuem Gutachten

Berlin
Teilnehmer einer Demonstration im Januar 2020 gehen mit Transparenten durch Dessau. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Fast 17 Jahre nach dem Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau will eine Initiative mit einem weiteren Brandtest und einem Film belegen, dass Jalloh angezündet und ermordet wurde. Dazu wurde die Situation in der Polizeizelle am 7. Januar 2005 von einem beauftragten britischen Brandschutz-Gutachter nachgestellt und das Feuer gefilmt, wie die Initiative am Mittwoch in einer Pressekonferenz erläuterte. Der Brandschutzexperte Iain Peck erklärte dazu, seiner Meinung nach zeigten die Ergebnisse, dass es am wahrscheinlichsten sei, dass Jalloh mit einer Flüssigkeit wie Benzin übergossen und entzündet worden sei.

Die "Initiative in Gedenken an Oury Jalloh" wirft Polizei und Staatsanwaltschaft seit Jahren vor, die Aufklärung des Todes zu verhindern. Sie fordert neue Prozesse gegen die Polizisten. Vorbereitet werde derzeit auch eine Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt wegen Strafvereitelung im Amt, sagte Nadine Saeed von der Initiative. "Wir sind nicht in der Lage, die Staatsanwaltschaft zu etwas zu zwingen. Wir hoffen auf die Öffentlichkeit und den öffentlichen Druck."

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg teilte mit, das aktuelle Gutachten sei ihr noch nicht übermittelt worden. Sollte es sich dabei "um ein neues Beweismittel handeln, welches geeignet ist, einen genügenden Tatverdacht gegen eine konkrete Person zu begründen, könnten die Ermittlungen (dann) wieder aufgenommen werden". Bei früheren Brandgutachten im Auftrag der Initiative von 2013 und 2015 sei das aber nicht der Fall gewesen.

Bei dem nachgestellten Brand wurde der Initiative zufolge Anfang Oktober eine Puppe aus Kunststoff und Teilen von Schweinen, die gefesselt auf einer Matratze lag, mit 2,5 Litern Benzin übergossen und angezündet. Der 30 Minuten lange Verlauf des Feuers wurde mit mehreren Kameras gefilmt und der Endzustand mit Fotos vom echten Brandort verglichen. Der Film zeigte deutlich das heftige Feuer, das in der kleinen Zelle tobte und Körper und Matratze verkohlte.

Der Brandgutachter sagte, nach diesem Feuer hätten sich der Nachbau der Zelle, die Matratze und der künstliche Körper in einem sehr ähnlichen Zustand befunden wie die Leiche von Jalloh und die Matratze in der Originalzelle. Das zeigten Vergleiche der aktuellen Bilder der nachgebauten Zelle nach dem Brand mit Fotos der Zelle und der Leiche von 2005, wie sie auch am Mittwoch bei der Pressekonferenz präsentiert wurden. Ohne Benzin seien so ein Feuer und so starke Brandspuren nicht möglich, sagte der Brandexperte.

Ein vergleichbares Brandgutachten mit ähnlichen Ergebnissen hatte die Initiative allerdings bereits früher präsentiert.

Der afrikanische Asylbewerber Jalloh war betrunken und stand unter Drogen, als er gefesselt auf einer Matratze liegend in der Zelle starb. Ob er selber die Matratze anzündete, ist bis heute unklar. Die genauen Umstände des Todes konnten in zwei Prozessen nicht geklärt werden. Ein Polizist wurde 2012 verurteilt, weil er nicht dafür sorgte, dass Jalloh korrekt beaufsichtigt wurde. Zwei Sonderermittler stellten in einem 300 Seiten langen Untersuchungsbericht zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden fest.

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg verwies darauf, dass das Ermittlungsverfahren im November 2018 eingestellt worden sei, "weil sich keine beweisbaren Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Entzündung der Matratze" durch Jalloh ausschließen können und "die eine Entzündung durch Polizeibeamte oder durch bestimmte Dritte belegen". Ein Gegenantrag der Familie Jallohs sei vom Oberlandesgericht verworfen worden, weil es keinen hinreichenden Tatverdacht gebe. Auch in dem Untersuchungsbericht der Sonderermittler des Landtags von 2020 sei die Einstellung als "sehr gut nachvollziehbar und angesichts der Beweislage sachlich und rechtlich richtig" bezeichnet worden.

© dpa-infocom, dpa:211102-99-837309/7

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