Japan:Todesstrafe für den "Twitter-Killer"

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Takahiro Shiraishi, genannt "Der Twitter-Killer", räumte seine Taten ein, und zwar "mit gutem Gewissen". (Foto: Masato Yamashita/Jiji Press/AFP)

Er suchte seine Opfer über seinen Social-Media-Account, lockte sie in seine Wohnung und tötete sie. Der Japaner Takahiro Shiraishi wurde wegen neunfachen Mordes zur Höchststrafe verurteilt.

Von Thomas Hahn, Tokio

Wenn Takahiro Shiraishi von seinen Morden sprach, tat er das ohne jede Gefühlsregung. So berichteten es die Reporter, die sich in den Jahren seiner Haft auf ein Gespräch mit ihm eingelassen hatten. 30 Minuten hatten sie immer Zeit im Besuchertrakt des Gefängnisses von Tachikawa im Westen Tokios. Shiraishi war redselig, zuletzt im September, kurz bevor sein Prozess vor dem Tokioter Landgericht begann.

Der Zeitung Asahi sagte er: "Die Staatsanwälte haben solide Beweise und Aufzeichnungen von Vernehmungen, es hat also keinen Sinn, gegen die Anschuldigungen anzukämpfen." Die Vergewaltigungen, die Raubmorde, den Umstand, dass er die Opfer in seiner Wohnung zerstückelte und in Tiefkühltruhen aufbewahrte - er räumte alles ein, "mit gutem Gewissen". Ausdrücklich fügte er hinzu, dass er sich nicht bei den Familien der Ermordeten entschuldigen werde. Es war, als wolle er der Welt zeigen, wie kalt ein Mensch sein kann.

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Nun steht das Urteil fest. Der Vorsitzende Richter Naokuni Yano verurteilte Takahiro Shiraishi, 30, am Dienstag wegen neunfachen Mordes zum Tode. Er folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Yano zählte Shiraishis Taten zu den "bösartigsten in der Kriminalgeschichte". Shiraishi hatte vorher angekündigt, dass er keine Berufung einlegen werde. Und somit endet nun wohl eine Geschichte, die Japans Menschen seit der Verhaftung Shiraishis im Oktober 2017 beschäftigt und verstört hat.

Am ersten Prozesstag bildete sich eine lange Schlange vor dem Gerichtsgebäude in Tachikawa. Für manche Social-Media-Nutzer fühlte sich der Fall an wie ein Verbrechen aus der Nachbarschaft. "Ein vertrautes soziales Netzwerk war der Auslöser, vielleicht ist das näher an uns dran, als wir denken", sagte ein Besucher im Fernsehsender NHK. Tatsächlich ist Shiraishi für die Öffentlichkeit der "Twitter-Killer".

Seine Opfer: Frauen mit Suizidgedanken

In dem Kurznachrichtendienst eröffnete er im März 2017 ein Konto, über das er sich an Frauen mit Suizidgedanken wandte. Er köderte sie mit dem Angebot, ihnen Sterbehilfe zu leisten und sich gemeinsam mit ihnen das Leben zu nehmen. So kam er mit seinen Opfern in Kontakt. Er lud sie in seine Wohnung in Zama in Tokios Nachbar-Präfektur Kanagawa ein. Dort erdrosselte er zwischen August und Oktober 2017 acht Frauen zwischen 15 und 26 und behielt deren Geld. Ein 20-jähriger Mann, der Freund seines ersten Opfers, stellte ihn zur Rede. Deshalb brachte Shiraishi auch diesen um.

Irgendwann stand dann die Polizei vor seiner Tür. Sie suchten nach einer 23-jährigen Frau, die als vermisst gemeldet worden war. Die Spur führte zu Shiraishi. Sie fanden die Leichenteile. Die junge Frau war eines der Opfer. Im Prozess sagten seine Verteidiger, die Frauen hätten eingewilligt, sich töten zu lassen. Aber Takahiro Shiraishi selbst sagte aus, dass sie sich gewehrt hätten. Auch die Annahme, Shiraishi sei zur Tatzeit nicht zurechnungsfähig gewesen, fand das Gericht nicht überzeugend. Shiraishi erklärte, er habe von den Frauen Geld und Sex haben wollen.

Der Fall hat Politik und Internetwirtschaft gezeigt, dass man dem Suizid-Gerede in sozialen Netzwerken Verbotsregeln und Hilfsangebote entgegensetzen muss. Takahiro Shiraishi allerdings schien aus seinen Verbrechen gar nichts zu lernen. Er hatte andere Gedanken im Kopf. "Als ich über die Todesstrafe gelesen habe, habe ich gehört, dass es wehtut", sagte er im vergangenen Jahr in einem Interview mit der Wochenzeitschrift Friday. "Um ehrlich zu sein, mag ich den Schmerz nicht."

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