125 Jahre Führerscheinprüfung:Starten, lenken, anhalten

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Immer auf die Straße achten! Fahrschulunterricht in den 1930ern. (Foto: Scherl/SZ-Photo)

Am 14. August 1893 fand die erste Führerscheinprüfung statt. Mit heutigen Tests hatte sie nicht viel gemeinsam. Schon das Anlassen des Motors war eine Herausforderung.

Von Titus Arnu

Menschen mit Motorphobie haben es schwer. Sie leiden unter einer Angststörung, die von motorbetriebenen Fahrzeugen ausgelöst wird. Die Panik vor Autos ist so alt wie das Auto selbst: Als Gottlieb Daimler und Carl Benz im Jahr 1886 ihren ersten Motorwagen bauten, hielten sich Furcht und Faszination bei ihren Zeitgenossen die Waage. Das dreirädrige Gefährt wurde von einem Einzylinder-Viertaktmotor angetrieben, der 0,75 PS leistete, es fuhr nicht schneller als ein Fahrrad. Trotzdem herrschte zu Beginn des Auto-Zeitalters ein Kleinkrieg zwischen dem Fußvolk und den Benzinkutschern.

Militante Skeptiker buddelten Gräben quer zur Fahrbahn, um die moderne, unheimlich wirkende Technik auszubremsen. Unbekannte spannten bei Berlin ein Drahtseil über die Straße, ein autofahrendes Juweliers-Ehepaar kam ums Leben. Um ängstlichen Menschen zu zeigen, dass alles seine Ordnung hat, wenn er mit seinem Vehikel durchs Schwabenland knattert, ließ sich Carl Benz 1888 vom Großherzoglichen Bezirksamt Mannheim eine "Berechtigung zur Durchführung von Versuchsfahrten mit einem Patentmotorwagen" ausstellen - den ersten Führerschein. Eine Fahrprüfung musste er nicht absolvieren.

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Der erste offizielle Führerscheintest fand erst fünf Jahre später statt, vor genau 125 Jahren in Paris. Die französische Automobile Club Association nennt den 14. August 1893 als historisch verbürgten Termin. Über den damaligen Prüfling und den Fahrlehrer gibt es keine gesicherten Angaben. Mit der heutigen Führerscheinprüfung hatte der Test jedenfalls nicht viel gemeinsam: Die Kandidaten mussten den Wagen starten, lenken und anhalten. Das klingt machbar, aber allein das Anlassen war eine Wissenschaft für sich. Eine Start-Stopp-Automatik existierte nicht, man musste die Zündung von Hand justieren und dann an einer Kurbel unter dem Kühler drehen. Außerdem wurden Reparaturkenntnisse abgefragt, schließlich lagen oft Hufnägel auf der Straße, platte Reifen waren damals so alltäglich wie heute stockender Verkehr.

Der erste deutsche Fahrlehrer Rudolf Kempf gab von 1904 an Kurse in Aschaffenburg

Die weltweit ersten Fahrprüfungen nahm in Paris das Bergamt ab, das für alle motorisierten Geräte zuständig war. Führerschein-Aspiranten mussten männlich und mindestens 21 Jahre alt sein. Frauen waren erst vier Jahre später zugelassen. Die erste Führerschein-Besitzerin war Anne de Rochechouart de Mortemart, Herzogin von Uzès. Eben diese war wenig später dann auch die erste Frau, die einen Strafzettel kassierte wegen zu schnellen Fahrens. In Deutschland wurde ein landesweit gültiger Führerschein am 3. Mai 1909 eingeführt.

Rudolf Kempf, der erste deutsche Fahrlehrer, startete 1904 Kurse in der "Auto-Lenkerschule" des "Kempf'schen Privat-Technikums" in Aschaffenburg. Teilnehmen durften Männer ab 17 Jahren, die ein amtliches Sittenzeugnis vorlegen konnten. Den ersten Kurs absolvierten 36 Schlosser, Mechaniker und Autohändler. Die Ausbildung sollte angehende Chauffeure auf ihren Beruf vorbereiten.

Heutzutage sind beim Zentralen Fahrerlaubnisregister 44 610 Personen mit Fahrlehr-Erlaubnis registriert. Doch die Zahl der in Deutschland registrierten Fahrschulen sinkt, von 13 000 im Jahr 2009 auf 10 000 im Jahr 2017. "Die klassische Ein-Mann-Fahrschule wird nicht überleben", prognostiziert der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Fahrschulunternehmen, Rainer Zeltwanger. Hauptgrund ist der demografische Wandel, es leben immer weniger 17- und 18-Jährige in Deutschland. Zudem verliert das Auto unter Jugendlichen seine Bedeutung als Statussymbol. Besonders in Ballungsräumen setzten junge Menschen lieber auf andere Fortbewegungsmittel. Sie wollen mobil sein, aber dafür nicht mehr unbedingt ein Auto steuern. In Japan gibt es für das Phänomen, das seit Anfang der 90er-Jahre beobachtet wird, einen eigenen Begriff: "Kuruma Banare" (Demotorisierung). Kuruma Banare ist die neue Motorphobie.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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