Italien:Ohne geht's nicht

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Der Besuch in einer Bar ist aus dem Alltag der Italiener und Italienerinnen nicht wegzudenken. (Foto: imago stock&people/imago stock&people)

Bars sind für Italiener unverzichtbar - morgens, mittags, abends. Fast jede kleine Gemeinde hat eine, im ganzen Land gibt es 134 000. Dennoch wächst die Sorge, dass die Tradition verschwinden könnte, denn die Bedingungen werden härter.

Von Andrea Bachstein, München

Morgens schnell ein Caffè al banco in der Bar, so die Zeit reicht auch gerne Cornetto und Cappuccino, für den kleinen Kick mittags oder nachmittags noch einen Caffè in der Bar. Naht der Abend, ist die Bar wieder erste Adresse für einen Aperitivo. Aus dem Alltag von Millionen Italienerinnen und Italienern sind Bars kaum wegzudenken und auch nicht aus dem typischen Ortsbild, längst sind die Bars ja auch ein in vielen Ländern kopiertes Modell. Da kommt nun aus Turin die Notiz, dass in der Stadt mit ihrer stolzen Kaffeekultur die Bars schwinden: 1100 weniger sind es als vor zehn Jahren.

Und Turin liegt im Trend. Die Bars werden weniger in ganz Italien, bestätigt Luciano Sbraga, Vizedirektor des zuständigen Gewerbeverbands Federazione Italiana Pubblici Esercizi (Fipe) in Rom. Das "Format Bar" erlebe eine gewisse Krise. Im ersten Halbjahr 2023 hätten zwar mehr als 2000 neu eröffnet, aber mehr als 4000 wurden geschlossen. 15 000 weniger als vor zehn Jahren sind es laut Fipe. Aktuell gebe es 134 000 Bars im Land. 90 Prozent der Gemeinden hätten eine, auch solche mit 200 Einwohnern, sagt Sbraga. Lässt man Touristen-Hotspots beiseite, sind Bars in kleineren Orten und den Wohnvierteln der Städte weiter auch soziale Institutionen, Nachbarschaftstreffpunkt, Informationszentrale. Ein gestandener Barbetreiber weiß in seinem Mikrokosmos, wer der beste Klempner ist, wer gestorben ist, und kennt den laufenden Klatsch sowieso. Wer also will auf all das verzichten?

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Offenbar Tausende Barbetreiber, und das nicht nur, weil sie Inflation und hohe Energiepreise spüren. Was die Gäste nicht sehen, erklärt Fipe-Vizedirektor Sbraga: Das Gewerbe ist "extrem fordernd". Viele Bars sind sieben Tage die Woche geöffnet, bei 13-, 14-Stunden-Tagen, jedenfalls für die Betreiber. Familienbetriebe stemmten das, und besonders im Süden gebe es noch viele. Aber insgesamt sei diese Arbeit für junge Leute wenig attraktiv, die Hälfte der Stellenangebote für Baristi bleibt ohne Bewerber. Das übliche Gehalt von 1200 Euro bei 40 Wochenstunden lockt wenig. Auch so mancher Barbesitzer sollte besser nicht ausrechnen, was er pro Stunde verdient. Übrigens schreckt all das eine Einwanderergruppe nicht ab - Chinesen steigen in das uritalienische Gewerbe ein, in einigen Regionen führen sie 20 Prozent der Bars.

Zum generellen Problem der Bars trage bei, sagt Sbraga, dass der Preis für einen Caffè, den Espresso also, oft nicht mehr kostendeckend sei. Im Schnitt liege er knapp über einem Euro, und weil die Gäste bei diesem "symbolischen Produkt" sensibel seien, trauten sich Bars oft nicht, mehr zu verlangen. Zudem setzten ihnen andere Gastronomieformen zu. Die wachsende Zahl von Take-aways in Städten mindere das Mittagsgeschäft der Bars, weil sie außer Panini oft auch warme Gerichte anbieten. Vertreter der Turiner Handelskammer sagten dem Corriere della Sera sogar, Take-aways hätten den Markt "erodiert". Bemerkbar mache sich auch, dass nun viele im Home-Office arbeiteten. Zudem gönnten sich immer mehr Leute lieber einen Abend im Restaurant und sparten dafür am täglichen Frühstück in der Bar. Dramatisch allerdings erscheint die Lage in Turin nicht: Die 850 000 Einwohner finden noch immer 5767 Bars in ihrer schönen Stadt.

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