Indien:T-1 ist erlegt

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Zwei Jahre lang jagten Suchtrupps den Tiger im Osten des Bundesstaates Maharashtra. (Foto: AFP)
  • In Indien wird in der Nacht zum Samstag eine Tigerin erschossen, die 13 Menschen getötet haben soll.
  • Zwei Jahre lang waren ihr Suchtrupps auf der Spur.
  • Für die Bewohner des Bundesstaates Maharashtra ist ihr Tod eine gute Nachricht, Tierschützer protestieren.

Von Arne Perras, Singapur

Schützen, die mit einem Spezialgewehr einen Betäubungspfeil auf einen Tiger abfeuern wollen, tun dies gewöhnlich nur bei Tageslicht. Nachts benötigen sie Scheinwerfer und das Wagnis ist eigentlich zu groß. Denn man muss schon bis auf etwa 20 Meter herankommen an die wilde Katze, um einen Pfeil so sicher zu setzten, dass eine Betäubung gelingt.

In der Nacht von Freitag auf Samstag versuchte ein staatlicher Jagdtrupp, eine sechsjährige Tigerin, bekannt als T-1, per Pfeil zu betäuben. Der Versuch misslang, die bedrängte Tigerin griff an. Und so blieb dem Scharfschützen Ashgar Ali Khan nur noch, im Abwehrreflex sein Gewehr mit scharfer Munition zu nutzen. Der Schuss war tödlich, wie es in einer Mitteilung der Wildschutzbehörde hieß. T-1 ist erlegt. So endete am Freitag kurz vor Mitternacht das große Drama um eine Tigermutter, die 13 Menschen getötet haben soll.

Zwei Jahre lang hatten die Suchtrupps der Raubkatze nachgestellt, die in Indien längst berühmt-berüchtigt war. Zuerst zeigten sich die indischen Forstbehörden noch wild entschlossen, die sechs Jahre alte Tigerin schlafen zu legen und in einen Zoo zu verlegen. Doch dafür war die Raubkatze, die durch die Gegend von Yavatmal im Osten des Bundesstaates Maharashtra streifte und Anfang des Jahres zwei Junge geboren hatte, viel zu schlau. So half am Ende nur noch die Weisung, die der indische Wildhüter-Chef Ashok Misra ausgestellt hatte. Sollte der Versuch, das Tier zu betäuben, misslingen, dann muss die Tigerin getötet werden. Über die beiden zehn Monate alten Jungen der Tigerinnen lagen zunächst keine Informationen vor. Es ist unklar, ob sie eingefangen werden, ob eine Betäubung möglich ist, ob man die beinahe erwachsenen Tiere laufen lässt oder auch sie töten muss.

Eine so aufwändige Suche nach einer Raubkatze hat Indien noch nicht erlebt, neben mehreren Elefanten waren hunderte Helfer im Einsatz, sie legten Köder aus und durchkämmten wochenlang Felder und Wälder. Drohnen kamen bei der Aufklärung zum Einsatz, und in ihrer Not hatten die Wildhüter sogar Parfum in den Wald gebracht. Angeblich stehen Raubkatzen auf "Obsession for Men" von Calvin Klein, doch zum Einsatz kam es dann offenbar doch nicht.

Die Geschichte von T-1, die nun ihr Ende genommen hat, ist symptomatisch für die die Probleme im Zusammenleben zwischen Tigern und Menschen in Indien.

Als die Nachricht von der erlegten Tigerin in den Dörfern die Runde machte, war die Erleichterung groß. Bauern und Hirten fühlten sich seit Monaten durch das Tier terrorisiert, jeder Weg aufs Feld schien ihnen lebensgefährlich. Am Samstag zündeten Bewohner nun Kracher und Feuerwerk in den Straßen, andere verteilten Bonbons zur Feier des Tages. Doch das Schicksal von T-1 war auch ein Fall, der viele Tierschützer mobilisierte.

Eine Petition mit mehr als 50 000 Unterschriften hatte gefordert, das Tier zu schonen und weiter eine Betäubung zu versuchen, damit die Mutter und auch ihre beiden Jungen überleben könnten. Ashok Misra von der Wildschutzbehörde sagte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung im Sommer, dass es den Zielen des langfristigen Artenschutzes eher schade, wenn nichts gegen einzelne Tiere, die Menschen anfallen, unternommen werde. Denn man könne die Zukunft einer so stark bedrohten Art wie dem Tiger nur sichern, wenn der Staat das Wohlwollen der Leute für den Tigerschutz hat. Eine einzelne Raubkatze, die wie T-1 mehr als ein Dutzend Menschen tötet, müsse ausgeschaltet werden, weil die Leute ansonsten den Naturschutz generell infrage stellen würden. Schließlich ist der Staat auch per Verfassung verpflichtet, seine Bürger zu beschützen.

Die Geschichte von T-1, die nun ihr Ende genommen hat, ist symptomatisch für die die Probleme im Zusammenleben zwischen Tigern und Menschen in Indien. Die Zahl der streng geschützten Raubkatzen steigt wieder an und darüber sind viele froh, dem Staat gelingt es, die Wilderei einzudämmen. 1706 Tiger wurden 2010 gezählt, vier Jahre später waren es schon 2226, Experten schätzen, dass es Ende 2018 mehr als 3000 sein könnten. Gleichzeitig aber schrumpft der Lebensraum, Wälder weichen für Siedlungen, Straßen, Minen, Kraftwerke und Kanäle, der Dschungel wird fragmentiert, junge Tiger, die neue Reviere suchen, tun dies häufig außerhalb von Schutzgebieten und kommen so den Dörfern sehr nahe. T-1 lebte in einem Terrain aus Wäldern, Baumwollfeldern und Siedlungen. Weil es dort eher wenige Hirsche, Rehe und Schweine gibt, wie sie Tiger normalerweise jagen, riss die Katze zunehmend Kühe. Weil die Hirten ihr Vieh oft zum Grasen in den Wald treiben, steigt das Risiko, dass sich Tiger und Menschen begegnen.

Im Falle von T-1 war bis zuletzt unklar, ob sie Menschen anfiel, weil sie sich bedroht fühlte, weil sie ihnen zufällig begegnete, oder ob das Tier doch sehr gezielt, wie es für so genannte "Menschenfresser" typisch ist, nach Menschen als Beute suchte. Sicher ist, dass kein anders Lebewesen für einen Tiger so leicht zu fassen ist, wie ein Mensch. Doch solange die Katzen Raum haben und genügend Beute im Wald finden, hat der Mensch wenig zu fürchten

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