Kalifornien:Im Zentrum des "Hurriquake"

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Vorher Straße, jetzt ein See aus Schlamm: Ein Mann steht an seinem Auto und wartet auf einen Abschleppdienst. (Foto: Mark J. Terrill/dpa)

Tropensturm "Hilary" führt zu Rekord-Regenfällen und Überschwemmungen, dazu gibt es mehrere Erdbeben. Es geht aber glimpflicher aus als befürchtet - weshalb die Kalifornier schon wieder Witze machen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es passiert einem ja wirklich nicht jeden Tag, dass gleichzeitig zwei Hinweise auf katastrophale und lebensgefährliche Naturereignisse auf dem Handy auftauchen wie bei den Bewohnern von Los Angeles am Sonntagnachmittag: Erdbeben der Stärke 5,1 in Ojai, etwa 100 Kilometer nordwestlich des Stadtzentrums von L.A. Dazu mehrere kleinere Rüttler, die hier stets als Vorboten auf The One interpretiert werden, das laut Experten längst fällige Mega-Beben. Den zweiten Hinweis beschrieb ein Mitglied der Feuerwehr von Ojai so: "Wir bereiten uns gerade auf den ersten tropischen Wirbelsturm seit 84 Jahren vor, und dann beginnt tatsächlich auch noch die Erde zu wackeln."

Von Südosten nämlich näherte sich Hurrikan Hilary. Er zog am vergangenen Freitag eine Schneise der Verwüstung durch die Baja California, die mexikanische Halbinsel im Pazifik, am Sonntagnachmittag erreichte er Kalifornien - nicht mehr als Hurrikan der Kategorie vier, der er am Freitag gewesen ist, aber immerhin als tropischer Wirbelsturm. Und genau davor hatten die Bewohner mindestens so viel Angst wie vor Winden mit mehr als 150 km/h. Aufgrund von Dürre, Waldbränden und auch kleineren Erdbeben ist der Boden in Kalifornien vielerorts spröde, das Schlimmste, was dann passieren kann: heftiger Regen wie zum Beispiel in Montecito Anfang 2018. Wegen der Erdrutsche kamen damals 23 Menschen ums Leben, 163 wurden verletzt. Der Sachschaden lag bei mehr als 200 Millionen Dollar.

Ein riesiger Eukalyptusbaum landete auf zwei Autos - die Besitzer im Haus daneben wurden nicht verletzt. (Foto: Dean Musgrove/AP)

Die Kalifornier bereiteten sich also auf ein, so der Hashtag in sozialen Medien, "Hurriquake" vor, und die ersten Bilder bestätigten die Befürchtungen. Das Stadion des Baseballvereins Los Angeles Dodgers auf einem Hügel im Stadtzentrum sah aus wie eine Insel in einem postapokalyptischen Film. Der ansonsten ausgetrocknete Kanal des Los Angeles River, bekannt aus der Verfolgungsjagd in "Terminator 2", war komplett gefüllt, Autos wurden fortgespült. An manchen Orten gab es mehrere Stunden weder Wasser noch Strom, mehr als 500 Bäume waren allein in Los Angeles umgestürzt, die Feuerwehr sprach von mehr als 20 Erdrutschen im Großraum L.A. Auch in anderen Gegenden wie San Diego, dem Coachella Valley mit den Orten Palm Springs und Indian Wells sowie selbst in Las Vegas und damit der Wüste von Nevada kam es zu heftigen Überschwemmungen.

Der National Weather Service meldete am Montag, dass der Wirbelsturm "so ziemlich jeden Regenrekord nicht nur gebrochen, sondern pulverisiert" habe. Der Stausee Hollywood Reservoir zum Beispiel in den Hollywood Hills bekommt gewöhnlich, pro Quadratmeter übers komplette Jahr verteilt, etwa 30 Zentimeter Regen ab, im August regnet es dort normalerweise nie; innerhalb von 48 Stunden gab es wegen des Wirbelsturms nun etwa 13 Zentimeter Regen. In Palm Springs lag der Rekord für Regen an einem Tag bei 5,15 Zentimetern, gemessen am 1. August 1930; am Sonntag waren es mehr als acht Zentimeter. Der Nationalpark Death Valley, bekannt für Hitze und Dürre, kürzlich wurde dort eine Temperatur von 54 Grad Celsius im Schatten gemessen, war bis Dienstagfrüh geschlossen, wegen Erdrutschgefahr aufgrund des Regens.

Gute Nachricht: Offenbar ist niemand ums Leben gekommen

Am Montagnachmittag gab es zumindest teilweise Entwarnung: Ja, es hatte heftig geregnet, der Schaden dürfte wohl im hohen zweistelligen Millionenbereich liegen - das "Hurriquake" war aber nicht so schlimm wie befürchtet. "Die Leute haben es ernst genommen und sich dementsprechend vorbereitet", sagte Karen Bass, Bürgermeisterin von Los Angeles. "Es hätte schlimmer kommen können, aber Stand jetzt haben wir keine Todesfälle zu beklagen."

Die Kalifornier sind bekannt dafür, recht gelassen damit umzugehen, dass dieses Paradies am Pazifik ständig bedroht ist von Naturkatastrophen aller Art. Deshalb ist die Reaktion der Bewohner darauf, dass alles glimpflicher ausgegangen ist als befürchtet, typisch kalifornisch. Man macht L.A.-Witze darüber, zum Beispiel: "Kann schon sein, dass du in deiner Heimatstadt eine Kategorie vier bist, in L.A. angekommen ist das höchstens eine eins." Oder: " Hilary ist typisch L.A.: Kündigt seine Ankunft groß an, verspricht, dass es heftig wird - sagt dann aber im letzten Moment ab."

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