SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Von älteren Papageien hört man noch immer diesen Nokia-Klingelton"

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Gleich geht die Schimpftirade los: Graupapagei aus dem Lincolnshire Wildlife Park. (Foto: privat)

Im Wildpark von Lincolnshire werden Besucher mit Rufen wie "Du fetter Bastard!" empfangen. Parkleiter Steve Nichols will den Graupapageien jetzt die Fäkalsprache abgewöhnen - und zeigen, dass die Tiere noch ganz andere Töne draufhaben.

Interview von Alexander Menden

Wer von Billy, Elsie, Eric, Jade oder Tyson ein "Fuck off!" mit auf den Weg bekam, also aufgefordert wurde, sich doch bitte sofort aus dem näheren Sichtfeld zu bewegen, der hat sich tatsächlich sehr darüber gefreut, wie der Guardian im Herbst 2020 zu berichten wusste. Denn wenn Menschen und Zoobesucher sich heute noch gerne beleidigen lassen, dann offenbar von Graupapageien. Kürzlich hat der Lincolnshire Wildlife Park in England drei weitere Exemplare mit beeindruckend reichhaltigem Kraftausdrücke-Vokabular aufgenommen. Steve Nichols, Leiter des Parks, hat sie gleich zu den anderen, mittlerweile gemäßigten Artgenossen gesteckt, damit jene die Neuzugänge natürliche Papageiengeräusche sowie Manieren lehren mögen.

SZ: Mr. Nichols, fluchen Ihre Papageien denn wirklich so derb?

Steve Nichols: Bei uns in England gibt es drei Stufen des Fluchens. Alltagsflüche wie "bloody hell", die nicht so schlimm sind. Dann gibt es das F-Wort, das schon ziemlich stark ist, aber viel verwendet wird. Und dann die harten Wörter, die vor allem Genitalien beschreiben. Sagen wir so: Das Vokabular unserer Papageien gehört zur dritten Kategorie.

Kommen die Vögel meist von privaten Besitzern?

Ja, wir sind eine nationale Auffangstation für Papageien und bekommen nahezu täglich neue Tiere dazu. Viele der Papageien, die hier abgegeben werden, kennen ein oder zwei Schimpfwörter. Eine Frau, die ihren Papagei bei uns untergebracht hat, behauptete zum Beispiel, das Gefluche komme von ihrem Mann. Ein Graupapagei kann eine Stimme wiedergeben, sobald er sich darauf eingestellt hat - dann aber immer nur diese eine Stimme. Während wir die Aufnahmeformalien erledigten, hat der Papagei mehrere Schimpfwörter gesagt, und zwar genau im Tonfall der Frau. Es war ihr ein bisschen peinlich, aber sie hat dann zugegeben, dass das von ihr selbst kam.

Steve Nichols ist Leiter des Lincolnshire Wildlife Parks in England. (Foto: privat)

Lernen die Tiere das Schimpfen eher vom Mithören, oder weil es ihnen jemand beibringt?

Das muss ihnen schon jemand bewusst beibringen. Die meisten Menschen finden es eben extrem lustig, wenn ein Papagei flucht, ich selbst ja auch. Ehrlich gesagt fühlen sich unsere Besucher in der Regel gar nicht beleidigt, wenn ein Papagei sie anflucht. Sie rufen sogar oft selbst Schimpfwörter ins Gehege, um eine entsprechende Antwort zu bekommen. Das hat einen verstärkenden Effekt auf das Verhalten des Vogels: Er merkt, dass die Menschen lachen, wenn er flucht, und flucht dann immer mehr, um diese positive Reaktion und Aufmerksamkeit zu bekommen. Das gilt allerdings in viel höherem Maße für Papageien, die alleine in einem Käfig gehalten werden. Das sollte man übrigens nie machen, es ist aber leider oft der Fall. Sie sind sehr soziale Tiere und wollen interagieren.

Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass die fluchenden Papageien den Rest des Schwarms mit ihren Schimpfwörtern anstecken?

Das ist zwar theoretisch denkbar, aber sehr unwahrscheinlich. In so einer großen Gruppe gibt es derart viele andere Geräusche, dass es schwierig für die Tiere ist, sich so intensiv auf ein Wort oder einen Satz zu konzentrieren, dass sie das irgendwann selbst sagen können. Und diejenigen, die fluchen, werden es viel weniger tun, weil sie mit Artgenossen zusammen sein können und nicht mehr auf die Interaktion mit Menschen angewiesen sind.

Milchflaschen, Mikrowelle, Fritteusen - ein Klangarchiv der besonderen Art. (Foto: privat)

Können Papageien jeden Klang nachahmen?

Graupapageien sind die mit Abstand Mimikry-begabteste Papageienart. Einer, den ich zur Pflege eine Zeit bei mir im Haus hatte, konnte etwa perfekt das sanfte Klirren von Milchflaschen imitieren, die der Milchmann morgens vor die Tür stellt. Ich dachte immer "Du musst gleich noch die Milch reinholen", bis mir wieder einfiel, dass hier schon lange gar keine mehr geliefert wird! Am häufigsten sind aber Handy-Klingeltöne oder Geräusche wie das Surren und "Ping" einer Mikrowelle. Obwohl wir feststellen, dass die Mikrowelle langsam von der Heißluftfritteuse abgelöst wird.

Die Tiere sind also immer auf dem neuesten Stand der Technik?

Ja, aber sie sind zugleich auch eine Art Klangarchiv. Von älteren Papageien hört man noch immer diesen Nokia-Klingelton aus den Neunzigerjahren. Und es gab mal eine McDonald's-Werbung, die mit einer gepfiffenen Melodie endete. Sehr viele unserer Papageien können diese Melodie pfeifen. Die Besucher sind davon aus irgendeinem Grund besonders begeistert - sogar noch mehr als von den Schimpfwörtern!

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