SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":Wie macht man Schneeflocken haltbar?

Lesezeit: 3 min

Jede Schneeflocke ist sechseckig - und einzigartig. Hier zwei der Exemplare, die Helene und Thomas Hoffmann gesammelt und konserviert haben. (Foto: privat)

Ein Jahr lang auf einer Forschungsstation in der Antarktis - genug Zeit, ein neues Hobby zu starten, dachten eine Physikerin und ein Ingenieur. Und sammelten Schneeflocken.

Interview von Paul Lütge

Die Geschichte beginnt in der Antarktis: Die Physikerin Helene Hoffmann macht Langzeitklimamessungen an der Neumayer-Station. Im selben Team: Thomas Sterbenz, ein Ingenieur. Die beiden werden ein Paar, inzwischen sind sie verheiratet. Zwischen Messungen und Minusgraden, weit weg von jeglicher Zivilisation, finden sie außerdem ein gemeinsames Hobby: Schneeflocken sammeln. Die schönsten sind derzeit im Heimatmuseum in Ramstein in Rheinland-Pfalz ausgestellt.

SZ: Frau Hoffmann, ist es in der Antarktis wirklich so langweilig, dass man nichts tun kann außer Schneeflocken sammeln?

Helene Hoffmann: Eigentlich nicht. Wir haben tagsüber auf der Forschungsstation viel zu tun: Manche machen Messungen, andere sorgen dafür, dass es warm und hell ist, dass die Technik funktioniert. In der Freizeit kann man eine Kolonie von Kaiserpinguinen besuchen, ganz in der Nähe der Station. Und auch abends gibt's eigentlich immer genug Beschäftigungsmöglichkeiten.

Zum Beispiel?

Ich habe gestrickt, ein Kollege hat gerne gepuzzelt. Es gibt einen Server mit Filmen, einen Sportraum, eine kleine Bar, einen Billardtisch.

Warum haben Sie dann ausgerechnet auch noch Schneeflocken gesammelt?

Thomas hat davon schon erzählt, als wir noch in Deutschland waren und mit der Crew gepackt haben. In seinen Kartons lagen Glasplättchen und Sekundenkleber. Er wollte ein Souvenir mitbringen aus der Antarktis. Und im Internet hatte er mal gelesen, dass man Schneeflocken haltbar machen kann. "Jaja, klar, können wir mal versuchen", sagte ich. "Joa, das klappt bestimmt eh nicht", dachte ich mir.

An Ort und Stelle haben Sie es trotzdem mal ausprobiert.

Wir waren ein Jahr lang auf der Station. Der Polarwinter ist lang und dunkel - man hat Zeit. Am Anfang hat es noch nicht so richtig geklappt, aber mein Mann hat da einen unglaublichen Ehrgeiz an den Tag gelegt, hat mit verschiedenen Klebstoffen rumprobiert. Und irgendwann ging's richtig gut.

Thomas und Helene Hoffmann bei der Ausübung ihres Hobbys. Helene Hoffmann hat an der Uni Heidelberg promoviert, ihre Schwerpunkte sind Umweltphysik und Eiskernforschung. (Foto: privat)

Wie funktioniert das genau, Schneeflocken sammeln?

Erst mal muss es richtig schön schneien. Und zwar so, dass einzelne Kristalle vom Himmel fallen. Hier in Deutschland ist es meistens knapp unter null Grad. Die Flocken, die dann vom Himmel fallen, sind oft schon mehrere Kristalle, die zusammengepappt sind. Die bekommt man nicht mehr auseinander. Außerdem muss es windstill sein. Dann setzt man sich draußen hin, am besten mit einem großen, dunklen Karton, und lässt die Flocken draufschneien. Und dann schaut man, was da vielleicht Schönes dabei ist.

Das klingt nach einem Hobby, bei dem man viel Geduld braucht.

Ja, mir war da manchmal auch nach einer halben Stunde langweilig. Außerdem braucht man ruhige Hände: Mit einem Skalpell oder Pinselchen sammelt man einzelne Kristalle vom Karton auf und bugsiert sie auf eine Glasplatte. Dann kommt ein Tröpfchen Kleber drauf und ein Deckblättchen - und dann muss es in der Kälte aushärten. Die Schneeflocke verdampft langsam, und man bekommt einen weißen Abdruck, also das Negativ der Schneeflocke.

Monatelang isoliert in Kälte und Dunkelheit - geht man sich da manchmal gegenseitig auf die Nerven?

Es ist ein bisschen so wie in einer großen Familie, man geht sich auch mal hart auf den Nerv. Irgendwann regt es einen tierisch auf, wenn der eine Kollege jeden Morgen seine Kaffeetasse an der gleichen Stelle stehen lässt. Das kommt schon vor. Die Forschungsstation ist aber auch schön groß. Jeder hat sein eigenes Zimmer, wo man auch die Tür hinter sich zumachen kann.

... oder man geht raus, um neue Schneeflocken zu sammeln.

Genau, und das hat sich gelohnt: Nach einem Jahr hatten wir mehr als 50 Exemplare.

Zu Ihrer Sammlung gehören nun auch Schneeflocken vom Nordpol und Proben aus einem Eiskern, die konserviert sind - sammeln Sie jetzt noch weiter?

Wir experimentieren rum und wollen noch mehr Schneeflocken aus den Alpen sammeln. Und wir haben noch ein paar Ideen, was man sonst noch so konservieren könnte: Ich finde zum Beispiel Raureif sehr schön. Das ist aber auch tricky, weil er fragil ist und schnell abfällt.

Weitere Folgen der Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

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