Japan und Bayern:Weißwurst-Washing

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Gerhard Polt bei der Vorstellung der Serie "Die Vroni aus Kawasaki" in München. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Gerhard Polt hat eine japanische Fernsehserie auf Bairisch synchronisiert. Ist das jetzt kulturelle Aneignung?

Von Martin Zips

Sein Japanisch sei auf drei Wörter beschränkt, hat der bedeutende bayerische Humorist Gerhard Polt dieser Tage gesagt: "Sushi, Harakiri und Tsunami." Da musste man gleich an den japanischen Jodelkünstler Takeo Ischi denken, der in einem Lied die wichtigsten deutschen Vokabeln einst so benannte: "Bockwurst, Bier und Blasmusik."

Wie Deutsch auf andere wirkt, das lässt sich zum Beispiel in der Originalfassung des Films "Lost in Translation" erahnen, wo der amerikanische Schauspieler Bill Murray in einer Tokioter Hotelsauna zwei Touristen gegenübersitzt, die in einer ihm völlig fremden Sprache zueinander sagen: "Gehen wir raus und hama was Deutsches zu essen hier." Da fröstelt es den Zuschauer, vor allem den nichtdeutschen. Doch im Gegensatz zu anderen kulturellen Aneignungen kann die Aneignung einer fremden Sprache schon sehr lustig sein, was Charlie Chaplin in "The Great Dictator" ebenso beweist wie Louis de Funès im Film "Le grand restaurant" ("Muskatnuss, Herrrr Müllerrrrr!"). Nicht zu vergessen auch Laurel & Hardy und Monty Python in ihren eigens für den deutschsprachigen Raum gedrehten Sketchen.

Doch was passiert, wenn einer wie Gerhard Polt, bald ist er 80, den Spieß umdreht und als Synchronsprecher zusammen mit Gisela Schneeberger, Michael Ostrowski, Christian Tramitz und anderen aus einer japanischen Fernsehserie namens "Hanbun, Aoi" (Halbblauer Himmel) im Auftrag des Salzburger Schwurbelsenders Servus TV eine bayerisch-österreichisch-sächsisch-norddeutsche Dialektversion macht? Ist das dann eher Weißwurst-Washing, ein ganz wunderbarer Schmäh oder doch irgendwie Nippon-Facing? Der deutsche Serientitel lässt Schlimmstes vermuten: " Die Vroni aus Kawasaki". Polts Sohn Martin soll die Idee dazu gehabt haben. Während eines Japan-Aufenthalts habe er die Serie im Hotel gesehen - verstanden habe er nichts. Ursprünglich hat die japanische Soap mehr als 150 Folgen. Servus TV strahlt nun auf seinem Streamingportal und ab Mitte Mai auch im Fernsehen zehn vom Polt-Team ins Dialektale gezwängte Episoden aus.

Wenn plötzlich von "Schmarrn" oder "Blunzengröstl" die Rede ist

Sicher: Eine gute Synchronisation kann noch auch den größten Fernsehschrott veredeln, das hat die in ihrer deutschen Fassung sehr originelle britische Krimiserie "Die 2" bereits Anfang der Siebzigerjahre bewiesen. Und Polt, der neben Schwedisch auch Italienisch und Russisch beherrscht, schafft das schon. Obwohl die Hafermilch-Generation jetzt sicher noch mal den alten "Mai Ling"-Sketch vom Polt bei Youtube anschauen wird und dort vor lauter Fremdscham ("Sag amal scheen Grüaß Gott, Mai Ling!") in Ohnmacht fällt.

"Your accent makes things sound worse than they actually are" (Ihr Akzent lässt Dinge schlimmer klingen, als sie sind), sagt Adam Sandler in dem US-Film "Funny People" zu dem mit hochdeutschem Akzent zu ihm sprechenden Doktor Lars. Und das ist wahrscheinlich die interessanteste Beobachtung, die man auch bei der "Vroni aus Kawasaki" machen kann: Wenn in japanischer Kulisse plötzlich von "Schmarrn", "Bauxerl" oder "Blunzengröstl" die Rede ist, so hat das einerseits etwas sehr Heimeliges. Andererseits aber fühlt es sich an wie Sushi, Harakiri und Tsunami mit einem ordentlichen Schuss Bockwurst, Bier und Blasmusik. Kann man mögen. Muss man nicht.

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