Frostschäden:Feuer frei!

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Ein Weinbauer entzündet kleine Feuer auf seinem Weinberg außerhalb von Chablis im Burgund. (Foto: PASCAL ROSSIGNOL/REUTERS)

Minusgrade haben jungen Wein- und Obstpflanzen schwer zugesetzt. Winzer versuchen mit kreativen Methoden, die Pflanzen zu retten.

Von Titus Arnu

Zartgrüne Hügel, zwitschernde Lerchen, blühende Kirschbäume: Das Burgund kann im Frühjahr ganz zauberhaft sein. Kann, muss aber nicht. Zum Entsetzen der wenigen Touristen und der einheimischen Winzer sind die Temperaturen nachts unter null Grad gefallen. Am Abend leuchten auf den Hügeln der Gegend Tausende Fackeln. Die Weinberge rund um Beaune sind festlich illuminiert, es wirkt wie eine Kunstinstallation. Ein flackernder Flashmob gegen Frühjahrsfrost und Corona-Frust?

Solche Leuchtfeuer in den Weinbergen sehen hübsch aus, haben aber einen bitterernsten Hintergrund: Die Winzer versuchen, die jungen Triebe der Reben vor dem Erfrieren zu bewahren. Es geht um viel Geld. Aus der Region kommen einige der teuersten Weine der Welt, etwa der Romanée-Conti Grand Cru - eine Flasche kostet bis zu 62 000 Euro. Dementsprechend groß ist die Sorge um die Ernte: Durch die Kältewelle befürchten französische Winzer auch in anderen Regionen Ausfälle von bis zu 90 Prozent. Landwirtschaftsminister Julien Denormandie spricht von einem "landwirtschaftlichen Katastrophenfall".

Minusgrade haben austreibende Weinreben, Blüten von Obstbäumen und Sträuchern erfrieren lassen. Die Frostschäden im Wein- und Obstbau sind die schlimmsten seit vielen Jahren. Betroffen sind fast alle wichtigen Wein- und Obstbauregionen Europas: In Süddeutschland, Norditalien, Südfrankreich, der Steiermark und der Toskana, in Südtirol und Kroatien berichten landwirtschaftliche Betriebe und Hobbygärtner über massive Schäden. Neben dem Wein ist vor allem Steinobst betroffen, je nach Region standen Pfirsiche, Aprikosen und Kirschen bereits in voller Blüte oder hatten sogar schon Früchte angesetzt, als der Temperatureinbruch kam.

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Die Blütezeit hat sich verschoben

Nachtfrost im April ist an sich nichts Besonderes, auch nicht im Burgund oder der Toskana. "Das Besondere ist: Die Blütezeit hat sich in den vergangenen Jahren um zwei bis drei Wochen nach vorne verschoben", sagt Markus Kobelt, Gartenbauingenieur und Geschäftsführer des Schweizer Pflanzenversandhändlers Lubera. Durch ungewöhnlich warme Wetterperioden im Februar und März stehen die Pflanzen früher in voller Blüte - und während dieses sensiblen Entwicklungsstadiums können sie erfrieren.

Nach außergewöhnlich warmen Temperaturen von bis zu 25 Grad Ende März haben Schnee, Graupel und Frost auch die Bauern und Hobbygärtner in Deutschland eiskalt erwischt. Ein sogenannter "Arctic Outbreak" brachte spätwinterliche Wetterverhältnisse in den Mittelgebirgen und in Süddeutschland. Was Skitourengeher freut, bringt Obst- und Weinbaubetriebe zur Verzweiflung. Besonders der Südwesten wurde hart getroffen, wie Hansjörg Stücklin, Weinbauberater in Südbaden, berichtet: "Die Schäden sind im nördlichen Markgräflerland enorm. Ausfälle zwischen 40 und 80 Prozent können nicht ausgeschlossen werden." Auch bei Zwetschgen, Kirschen und manchen Apfelsorten erwarten Fachleute dramatische Verluste. Bei der Versicherung Vereinigte Hagel gingen viele Schadensmeldungen ein, insgesamt seien in Deutschland mehr als 2000 Hektar Obst- und Weinbauflächen mit einer geschädigten Versicherungssumme von 24 Millionen Euro betroffen.

Fackeln, Folien und Vlies

Fackeln in Weinbergen, Foliendächer über Plantagen, Vlies auf Obstbäumen - bringen solche Schutzmaßnahmen etwas? "Man kann tatsächlich mit simplen Mitteln einige Pflanzen schützen", sagt Gartenbauexperte Kobelt, "wenn man blühende Pflanzen mit Schutzvlies oder einem Leintuch abdeckt, gewinnt man ein bis eineinhalb Grad." Ein anderer Tipp: In Frostnächten den Rasensprenger laufen lassen und blühende Pflanzen damit besprühen - eine dünne Eisschicht kann die Blüten retten. Wichtig sei dabei, das Wasser auch noch am Morgen während des Abtauens weiterlaufen zu lassen, rät Kobelt. Wenn die Pflanzen allerdings schon voll blühen, ist wenig zu retten. Besonders hart traf es die Obstbäume in Venetien und der Emilia-Romagna: Von Aprikosen-, Pflaumen-, Pfirsich-, Nektarinen- und Kirschbäumen in diesen Regionen wird dieses Jahr wohl wenig geerntet werden.

Wassersprinkler werden auch im französischen Chablis gegen den Frost eingesetzt. (Foto: PASCAL ROSSIGNOL/REUTERS)

Als Hobbygärtner tut man gut daran, den Spätspätwinter vor dem Kaminfeuer zu verbringen und die Gartenarbeit auf Schneeschaufeln zu beschränken. Im Gartenfachhandel stehen zwar schon junge Tomaten-, Zucchini- und Paprika-Pflänzchen bereit, auch Trendgemüse wie Süßkartoffeln und Topinambur warten darauf, eingepflanzt zu werden. "Viele Kunden wünschen sich schon im April ein schönes Gemüsebeet", sagt Pflanzenversandhändler Kobelt, "doch Mitte April ist es zu früh, um solche Gemüsesorten ins Freiland zu setzen." Erfahrene Gärtner halten sich an eine Bauernregel zu den Eisheiligen Mitte Mai: "Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz."

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