Prozess in Berlin:Rapper Fler zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt

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Patrick Losensky alias Rapper Fler vor Gericht. Das Bild stammt aus dem Januar, bei der Urteilsverkündung war der Angeklagte nicht zugegen. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Der Musiker hatte Polizisten beleidigt und versucht, Journalisten zu nötigen. In dem Prozess ging es auch um die Kunstfreiheit - und darum, welche Sprache für einen Rapper angemessen ist.

Von Verena Mayer, Berlin

Zu einer der Berufsgruppen, die derzeit regelmäßig im Berliner Kriminalgericht ein und aus gehen, gehören die Rapper. Da ist einmal Bushido, der zweimal die Woche im Schwurgerichtssaal Platz nimmt, um als Zeuge gegen seinen früheren Kumpel und Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker auszusagen, der den Musiker verbal und körperlich attackiert haben soll. Im Erdgeschoss, im kleinen Saal 105, trifft man indessen den Rapper Fler. Der 38-Jährige mit dem bürgerlichen Namen Patrick Losensky ist ebenfalls wegen seiner früheren Freundschaft zu Bushido hier, er soll Akten aus Bushidos Gerichtsverfahren gepostet und seinen Rapper-Kollegen und dessen Ehefrau beleidigt haben, allerdings nicht nur. Die Staatsanwältin zählt insgesamt 17 Vorwürfe auf, darunter versuchte Nötigung, Beleidigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis und eben verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen.

Losensky sitzt deswegen auf der Anklagebank, oder besser: saß. An einem der letzten Verhandlungstage ist er aus dem Saal gestürmt, nachdem er im Zuschauerraum einen Journalisten entdeckt hatte, den er nicht mochte.

Fler und die Journalisten - das ist eines der wiederkehrenden Themen in seinem Prozess. So erzählt ein Reporter des Berliner Tagesspiegel im Zeugenstand, was er erlebte, nachdem er in einem Artikel über die Freundschaft zwischen Fler und Bushido geschrieben hatte, die als Rapper-Fehde mit wechselseitigen Beschimpfungen ("Eierkopf", "Flerräter") endete. Fler habe ihn mehrfach "massiv bedroht". Er habe auf Twitter das Foto eines Klingelschilds veröffentlicht, das der Reporter als Anspielung verstand, dass man ihn zu Hause aufsuchen wolle. Außerdem sollen Worte wie "Zähne einschlagen" und "auflauern" gefallen sein.

Alles bloß "rapperhaftes Getue"?

Losensky, der da noch mit Mundschutz neben seinem Verteidiger sitzt, hält dagegen, er sei kein Gewalttäter. Die Drohungen seien nur Show gewesen, und es sei seine "künstlerische Freiheit", sich zu verhalten, wie sich ein Rapper verhalte. Was Teil einer Kunstfigur und was strafrechtlich relevantes Verhalten ist, ist dann auch eine der Fragen, die das Amtsgericht beschäftigen. Immer wieder beruft sich Flers Verteidiger auf die Kunstfreiheit. So herrsche in der Rapper-Szene nun mal ein anderer Ton, vieles von dem, was Patrick Losensky als Fler sage, sei "rapperhaftes Getue", dem keine Taten folgten.

Anklagepunkt für Anklagepunkt arbeitet der Amtsrichter mit ermüdender Genauigkeit ab. Über Stunden wird eine Frau gehört, die sich mit dem Rapper seit Jahren einen erbitterten Nachbarschaftsstreit liefert, es geht unter anderem um Blumentöpfe und Haufen des Hundes von Losenskys Lebensgefährtin. Mehrmals sei sie von dem Rapper dabei auf dem Hof "übelst beleidigt" worden, sagt die Zeugin vor Gericht.

An einem Verhandlungstag erfüllt Musik den Raum, ein Video von Flers Song "Dieser Boy" wird abgespielt, in dem man einen maskierten Mann mit Kapuzenjacke vor einer mit Graffiti besprühten S-Bahn rappen sieht. Die Frage ist, ob es Fler ist und ob er für die Schriftzüge auf der S-Bahn verantwortlich sein könne. Eine auf Sprayer spezialisierte Polizeibeamtin sagt, sie könne nur erkennen, dass der Mann im Sicherheitsbereich stehe, "sonst habe ich keine Erkenntnisquelle aus dem Video".

Polizisten beschimpft und geduzt

Ein Polizist erzählt, er sei von Fler bei einer Führerscheinkontrolle als "Schwanz" bezeichnet worden, ein anderer sagt, er sei von dem Rapper "vulgär geduzt" worden. Die Führerschein-Akte des Rappers wird verlesen, in der sich einige Einträge wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis finden.

In den Akten finden sich auch Hinweise auf den Hintergrund des Musikers. Er ist in Berlin bei seinem Stiefvater aufgewachsen, nachdem sich seine Mutter vom gewalttätigen Vater getrennt hatte. Mit 15 kam er in ein Heim, über das Graffiti-Milieu fand er zur Musik, in die Rap-Szene, die er "wie eine Familie von Gleichgesinnten" empfand. Schnell merkte er, wie er einmal aussagte, worum es in der Rap-Branche geht. "Um Posen und Kriminalität, ich fing irgendwann an, das irgendwann zu übertreiben."

Dieses Übertreiben schlug sich bald in seinem Strafregisterauszug nieder, in dem sich Einträge wegen Beleidigung oder Bedrohung finden. Und immer wieder war er zu schnell unterwegs, "ich habe das Auto benutzt, um zu demonstrieren, was ich für ein Macker bin".

10 000 Euro für einen Verein für Straßensozialarbeit

Er habe sich innerhalb einer Subkultur seine eigenen Regeln gemacht, hat er 2018 in einem Verfahren zu Protokoll gegeben, wolle aber eigentlich nicht so wahrgenommen werden. "Was mich interessiert, sind meine Frau, meine Arbeit, meine Hobbys."

Vielleicht ist das ein Grund, warum Losensky nicht einmal zur Urteilsverkündung am Mittwoch persönlich erscheint. Der Amtsrichter verhängt zehn Monate Haft auf Bewährung, dazu muss Losensky 10 000 Euro an einen Verein für Straßensozialarbeit zahlen. Es handle sich zwar um "Taten aus dem Bereich der Bagatellkriminalität", sagt der Richter. Aber Losenskys Versuch, einen Journalisten mit der "Androhung eines Hausbesuchs" zu nötigen, wiege schwer. Das sei ein "absolutes No-Go", bei dem sich der Rapper auch nicht auf die Kunstfreiheit berufen könne.

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