Schweden:Estonia-Wrack soll erstmals untersucht werden

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Dieses von einem Tauchroboter aufgenommene Bild zeigt den geborstenen Bug der Estonia. (Foto: AFP)

Bislang sind Tauchgänge zu der 1994 gesunkenen Fähre bei Gefängnisstrafe verboten. Nun soll das Gesetz geändert werden, mit dem die Estonia in 80 Meter Tiefe zum Seegrab erklärt wurde.

Von Kai Strittmatter, Kopenhagen

Das Wrack der 1994 in der Ostsee gesunkenen Fähre Estonia soll erstmals in Tauchgängen untersucht werden. Das teilte der schwedische Innenminister Mikael Damberg mit. Damit der Weg für solche Tauchgänge frei ist, muss zuerst ein Gesetz geändert werden, mit dem 1995 mehrere Ostseeanrainerstaaten die Estonia zum Seegrab erklärt hatten. Tauchgänge zum Wrack sind seither bei Gefängnisstrafe verboten, sie gelten als Störung der Totenruhe. "Die Regierung prüft nun, wie das Gesetz geändert werden kann", sagte der Innenminister am Freitagnachmittag in Stockholm. Er rechne mit einem Ergebnis Anfang des kommenden Jahres.

Der Entscheidung der schwedischen Regierung vorangegangen war eine Empfehlung der Untersuchungsbehörden der drei Länder Estland, Finnland und Schweden, die neue Unterwasseruntersuchungen forderten. Überlebende der Katastrophe und Verwandte der Opfer fordern das seit Jahren, sie begrüßten die Entscheidung Schwedens, die den Weg dafür nun frei macht. Die Debatte war im September erneut aufgeflammt: Eine mehrteilige TV-Dokumentation hatte Bilder von dem in 80 Meter Tiefe liegenden Wrack gezeigt, auf denen ein bislang nicht bekannter vier Meter langer Riss am Bug der Fähre zu sehen war.

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852 Menschen waren am 28. September 1994 gestorben, als die Estonia in einer stürmischen Nacht auf dem Weg von Tallin nach Stockholm unweit der finnischen Küste unterging. Nur 137 Passagiere überlebten. Für Europas zivile Schifffahrt war es die größte Katastrophe außerhalb von Kriegszeiten seit dem Untergang der Titanic. Die meisten der Opfer waren Schweden, in dem Land gilt der Untergang seither als nationales Trauma. Angehörige und Überlebende waren nie zufrieden mit dem offiziellen Untersuchungsbericht von 1997, der als Unglücksursache fehlerhafte Scharniere und eine sich im Sturm öffnende Bugklappe benannte.

Manche glaubten an eine Bombe an Bord, andere an einen U-Boot-Angriff

Die Inspektoren der drei beteiligten Staaten hatten damals das Wrack am Ostseeboden nie selbst in Augenschein genommen. Die Mängel der Untersuchung und des Berichts gab in der Folge vielen Verschwörungstheorien Auftrieb. Manche glaubten an eine Bombe an Bord, andere an einen U-Boot-Angriff. Die Tatsache, dass bisweilen offenbar Militärgüter auf der Estonia transportiert worden waren, befeuerte die Verschwörungstheoretiker.

Möglicherweise sind die von den Dokumentarfilmern entdeckten Risse im Rumpf der Estonia aber auch erst nach dem Sinken des Schiffes entstanden. Für die Angehörigenverbände aber waren sie Anlass genug, nach Ausstrahlung der Dokumentation neue Untersuchungen zu fordern. "Wir wollen Antworten auf eine Reihe von Fragen. Dies betrifft sowohl die Löcher im Rumpf als auch die Frage, ob die Estonia in der Nacht des Untergangs möglicherweise eine militärische Ladung getragen hat", sagte Anders Eriksson, einer der Überlebenden, dem Sender SVT. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Schweden das genauso sieht, der Druck auf die Regierung in Stockholm war in den letzten Monaten gewachsen.

"Wir möchten diese Löcher richtig sehen und untersuchen können, um festzustellen, ob sie für die vorherigen Untersuchungsergebnisse von 1997 von Bedeutung sind", sagte Jonas Bäckstrand, der Vorsitzende der schwedischen Unfalluntersuchungsbehörde, am Freitag dem Sender SVT. Möglicherweise genügten dazu Tauchgänge mit Tauchrobotern.

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