Die päpstliche Privatwohnung im Vatikan, die "3. Loggia", war jahrelang das zweite Zuhause von Paolo Gabriele. Der dreifache Familienvater diente bereits Johannes Paul II., unter dessen Nachfolger stieg er zum "Maggiordomo" auf, zum persönlichen Kammerdiener. Er begleitete Benedikt XVI. vom Frühstück bis zum Abendessen, hatte Zutritt zu allen Räumen und Schlüssel für alle Schränke in der Residenz des Heiligen Vaters.
Die letzten knapp zwei Monate jedoch hat der Vertraute des Pontifex, der sich seiner wichtigen Stellung entsprechend stets elegant kleidete, in einer Zelle des vatikanischen Gefängnisses verbracht. Und auch nachdem Gabriele jetzt aus der Haft in den Hausarrest entlassen wurde, wird er wohl nicht in die Loggia zurückkehren: Der 46-Jährige steht im Verdacht, vertrauliche Dokumente aus dem Vatikan an Journalisten weitergegeben zu haben. Ende Mai wurde er deswegen festgenommen.
Für das Oberhaupt der katholischen Kirche waren die Veröffentlichungen, unter anderem in einem Enthüllungsbuch des italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi, besonders unangenehm, weil die zugrunde liegenden geleakten Unterlagen unter anderem Korruption und Missmanagement im Vatikan thematisierten. Zahlreiche italienische Unternehmen sollen darin verstrickt sein. Anfang April hatte Benedikt XVI. die Aufklärung der sogenannten "Vatileaks"-Affäre zur Chefsache erklärt und ein hochkarätig besetztes Ermittlungsgremium eingesetzt. Mit der Leitung der Untersuchung betraute er Kardinal Julián Herranz, Mitglied der berüchtigen Bruderschaft "Opus Dei".
Bis zur Festnahme Gabrieles war über die Identität des Maulwurfs spekuliert worden. Experten bezweifeln, dass eine einzelne Person hinter Vatileaks steht. Vielmehr sei der Skandal Ausdruck der Grabenkämpfe innerhalb des Vatikan. Gabrieles Anwalt Carlo Fusco versicherte nun jedoch, sein Mandant habe alleine gehandelt und sei nicht Teil eines größeren Komplotts gewesen. "Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass es kein Netzwerk gab, keine Verschwörungen - weder im Vatikan noch außerhalb - denen Paolo angehörte", sagte Fusco.
Laut Vatikansprecher Federico Lombardi wird Anfang August darüber entschieden, ob sich Gabriele vor Gericht verantworten muss. Sollte er für schuldig befunden werden, drohen ihm bis zu sechs Jahre Haft.