Sensationsfund:Himmlischer Brocken

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Hansjörg Bayer aus Blaubeuren steht in seinem Garten, wo er den Steinmeteoriten mit dem Pickel herausgehebelt hat. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Im Jahr 1989 findet Hansjörg Bayer aus Blaubeuren einen merkwürdigen Stein bei sich im Garten. Jetzt ist klar: Es handelt sich um den größten je in Deutschland entdeckten Steinmeteoriten.

Von Martin Zips

Der Blick in unendliche Weiten ist den Menschen in Blaubeuren seit jeher vertraut. Nur, dass sich dieser Blick bislang vor allem in die Tiefe richtete, nicht in die Höhe. Dort, in Baden-Württemberg, gibt es den sogenannten Blautopf, eine Karstquelle, aus der der Fluss Blau entspringt. Das Wasser dort ist derart dunkel, dass sich zahlreiche Legenden um den Blautopf ranken. Zum Beispiel die der "schönen Lau", die von ihrem Mann, dem Donaunix, in den Blautopf verbannt wurde, weil sie nie lachte.

Lachen kann jetzt der frühere Telekom-Mitarbeiter Hansjörg Bayer, der einst in seinem Garten mit einem Pickel beim Lockern der Erde auf einen Stein stieß. Im Jahr 1989 war das, Bayer war damals 38 Jahre alt. Er wollte ein Elektrokabel unter die Erde bringen, um einen Gartenscheinwerfer anzuschließen. Dem Mann kam der Stein mit seinen 28 mal 25 mal 20 Zentimetern schon damals ungewöhnlich schwer vor - das Ding wog mehr als 30 Kilogramm. Auch fand es Bayer ungewöhnlich, dass der Stein auf einen Magneten reagierte, also offenbar Eisen enthielt.

Jahrzehntelang schmückte der Hausbesitzer mit dem Brocken sein auf schwäbischem Juraboden gelegenes Grundstück. Erst 31 Jahre später, im Januar 2020 meldete Bayer den - aufgrund des regenreichen deutschen Wetters - schon recht verwitterten Gegenstand beim Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Um es vorwegzunehmen: Es handelt sich hier um den größten der mehr als 50 in Deutschland bisher entdeckten Steinmeteoriten.

Deutschlands schwerster Steinmeteorit wurde im baden-württembergischen Blaubeuren gefunden. Die Brocken, die im sächsischen Audenhain vermutet werden, dürften deutlich kleiner sein. (Foto: Felix Kästle/dpa)

Was nur wäre gewesen, wenn der Finder das gute Stück bereits im Jahr 2015 weggeworfen hätte! Damals, als er den Stein bereits auf einen Autoanhänger geladen hatte, um ihn beim nächsten Wertstoffhof abzugeben. Dann aber besann sich Bayer eines Besseren, schleppte den Stein in seinen Keller und grübelte, bis er sich endlich dazu entschloss, ein Fragment von 23,4 Gramm an den Meteoritenexperten des DLR zur Begutachtung zu schicken. Dieser griff sogleich zur Diamantensäge und entdeckte im Inneren des Objekts jene kleine Kugeln, die den Urbaustein aller Planeten bilden: Die bei der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren entstandenen Chondren.

Nun wollte der Experte, Dieter Heinlein aus Augsburg, natürlich auch den Rest anschneiden. Aber seine Diamantensäge packte es nicht. Also ließ er noch professioneller sägen, in der Werkstatt eines Allgäuer Bildhauers nämlich. Die hier gewonnene Ecke wurde - unter größter Geheimhaltung - von weiteren Experten chemisch wie mineralogisch analysiert. Und, interessant, am Institut für Planetologie in Münster fand man sogar heraus, dass es sich beim Blaubeurer Meteoriten um eine "Brekzie" handelt, er also aus mehreren Bruchstücken wohl während einer Kollision "zusammengebacken" worden war. Wann der himmlische Stein genau an der Schwäbischen Alb zu Boden kam, das steht noch in den Sternen. Es soll allerdings erforscht werden.

Der glückliche Entdecker hat seinen - wahrscheinlich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammenden - Meteoriten jetzt dem DLR übergeben. Schon zwei Museen sollen sich gemeldet haben, die das Ding kaufen möchten. Wie viel sie dafür bezahlen, steht noch nicht fest. Als "Blaubeuren" wird Hansjörg Bayers "gewöhnlicher Chondrit des Typs H4-5" nun jedenfalls in die deutsche Wissenschaftsgeschichte eingehen. Und der bisherige Spitzenreiter, der nahe der niedersächsischen Stadt Oldenburg entdeckte "Benthullen", kann mit seinen lächerlichen 17,25 Kilogramm einpacken.

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